Nachrichtliches
Ausbildung
Stationen
Arbeiten
Ambitionen

Gemischtes
Projekte
Nachlese
Exkursionen
Televisionen
Impressionen

Briefkasten
Archiv
Impressum
Politik
Wirtschaft
Medien
Gesellschaft
 

Inhalt
Vor dem "großen Krieg": ungezinkte Karten auf den Tisch
Drei Fragen an Waffenverfechter und verbale Ukrainekrieger

Gute Nacht Abendland
Rückgabe kolonialer Beutekunst an Nigeria

Was verfechten Sie genau, Herr Baum?
Offener Brief an den FDP-Politiker und ehemaligen Innenminister Gerhard Baum

Plattmachen einer ökologisch wertvollen Region für einen deutschen "grünen" Wohlstand
Abkommen zur Energielieferung zwischen Deutschland und Kanada

"Bis zum letzten Ukrainer"
Kriegstreiber USA spielen mit nuklearer Eskalation

Haben Sie eigentlich Eier, Herr Melnyk?
Offener Brief an den Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Jaroslawowytsch Melnyk

Ukrainekrieg: Hängt sie höher!
Kopfgelder auf reiche Russen

Biden überlässt Putin die Drecksarbeit
Zwei Gedanken zum Ukrainekonflikt

Das Mittelalter lebt
Künftige Ampelherrscher wie Musketiere in einem billigen Ritterepos

Grüne Windspiele
Fläche von der Größe Nordrhein-Westfalens für Menschen unbewohnbar

Kühne grüne These
Machtverzückt und selbstverliebt "auf Klimakurs"

Ehrlichkeit kostet
Bundestagswahl 2017: Plakatiertes Programmversagen

CDU Und SPD feiern Wahlsiege - der anderen Parteien
Eigenanspruch der Bundesregierer unter Ramschniveau

Angriff der Geflüchteten
Westliche Kultur in Gefahr

Bürgermeisterwahl: parteilose Kandidatur in einer parteidurchfilzten Stadt
Protokoll eines Selbstversuchs
Kommentare des Kandidaten
Pressestimmen

Angst vor den Geflüchteten
Wer die westliche Kultur wirklich gefährdet

Mit Mandat im Gepäck zur Spitzenrente
Reinhold Messners lukrativer Aufstieg ins Parlament

Kokette Bescheidenheit
Reinhold Messner bezwingt auch parlamentarische Klippen

Armes Bochum
Kein Grund zur Einsicht

Nachtisch auf der Cholerastation
Die Angst des Wählers vor der Urne


7.3.2023 Vor dem "großen Krieg": ungezinkte Karten auf den Tisch
Drei Fragen an Waffenverfechter und verbale Ukrainekrieger

Von Walter Budziak

Leserbrief in Die Zeit vom 2. März 2023: "Dieser Krieg ist ein regionaler Konflikt von zwei ehemaligen Sowjetrepubliken", schreibt Rolf Walze aus Daxberg und erläutert: "Die Ukraine war nie eine westliche Demokratie, sie steht auf Platz 116 des Korruptionsindex, Russland auf Platz 137. Oligarchen bestimmten, teilweise mithilfe von privaten Milizen, die Politik und Wirtschaft des Landes. Viel Geld wurde auf Offshorekonten außer Landes gebracht. Auch Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Auslandskonten, das wurde in den Pandora Papers aufgedeckt. Sein Verhältnis zum Oligarchen Ihor Kolomojskyj ist ungeklärt." Vor diesem Hintergrund sei es unerklärlich, schließt Rolf Walze seine Ausführungen, warum die EU, die NATO und Deutschland Milliarden an "Hilfsgeldern" in die Ukraine schickten, ohne zu wissen, wo das Geld wirklich hinfließe, warum immer mehr Waffen geliefert würden und Deutschland in Gefahr gerate, sich in einen "großen Krieg" verwickeln zu lassen.

Vorhaltungen wissenschaftlich widerlegt

„Verlogen“, „gewissenlos“, „kenntnisloses Dahergerede“ oder gar eine „Komplizenschaft mit dem Aggressor [Putin]" (Berliner Zeitung, 21.2.2023) lauten nur einige der lautesten Kritiken an dem von Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht initiierten Friedensmanifest, hinter dem sich trotz solcher Diffamierungen am 25. Februar 13 000 Menschen (Polizeiangabe) am Brandenburger Tor in Berlin versammelten.

Neben einem Heer von Befürwortern weiterer unbegrenzter Waffenlieferungen an die Ukraine aus allen Demokratie selbstgerecht für sich beanspruchenden Parteien, frontenfern vom warmen, sicheren TV-Talkshowsessel aus parlierende Flintenweiber wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP) zum Beispiel, neben weiteren Heerscharen kriegseitler Ukraine-Reporter der selbsternannten Leitmedien, neben Konfliktforschern, Militär-, Migrations- und Friedensforschern oder auch der Diplom-Psychologin, Grünen-Politikerin und tiefenerleuchteten Ukraine-Kennerin Marina Weisband hat auch der Politologe Herfried Münkler verbal auf die Friedensaktivisten eingedroschen. Der Mathematikprofessor Matthias Kreck, einer der ersten von inzwischen über 700 000 Unterzeichnern, hat ihm geantwortet und die Vorhaltungen wissenschaftlich widerlegt (Berliner Zeitung, 21.2.2023).

Netzwerk von Offshore-Firmen

Die Anmerkungen des umtriebigen Leserbriefschreibers Rolf Walze aus Daxberg zum Thema scheinen nicht aus der Luft gegriffen. Die Pandora Papers, ein Datenleck über sogenannte Steueroasen, vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) am 2. Oktober 2021 veröffentlicht, identifizieren Selenskyj als einen von 38 ukrainischen Politikern, die Geld auf Offshorekonten ausgelagert haben. "Dabei wurden aus keinem anderen Land mehr Politiker in den Papers genannt als der Ukraine, mit doppelt so vielen Amtsträgern wie das Land auf dem zweiten Platz – Russland", schreibt die Berliner Zeitung am 16. Oktober 2021, also gut vier Monate vor Kriegsbeginn. An einem Netzwerk von Offshore-Firmen in Belize, Zypern und den Britischen Jungferninseln, sollen neben Selenskyj auch "einige wichtige Leute in seinem Präsidialteam" (BZ) und Mitarbeiter seiner ehemaligen Produktionsfirma Kvartal 95 beteiligt [gewesen] sein. Kvartal 95 hatte auch die TV-Präsidentenposse vor Selenskyjs Wahl produziert.

Lücke von 5,5 Milliarden Dollar

Besonders dubios erweist sich Selenskyjs Verbindung zu Ihor Kolomojskj, in dessen Fernsehkanal die Sendungen von Kvartal 95 ausgestrahlt wurden, wie die BZ weiter berichtet. Der Oligarch Kolomojskj wird verdächtigt, Milliarden von Dollar aus seiner Privatbank abgezweigt zu haben. Er selbst hatte diese inzwischen größte Bank der Ukraine in den 90er-Jahren mitgegründet. Er hatte das Land verlassen, "nachdem eine Lücke von 5,5 Milliarden Dollar in den Büchern der Bank entdeckt und mit Steuergeldern gestopft worden war, und kehrte erst zurück, als Selenskyj Präsident geworden war", so die "BZ".

Wie wäre es also, bevor all die Waffenverfechter und verbalen Ukrainekrieger all diejenigen niederdiskreditieren, die Bedachtsamkeit anmahnen und für diplomatische Verhandlungen plädieren, wie wäre es, wenn all die Waffenverfechter und verbalen Ukrainekrieger vorab folgende Fragen klar beantworteten? Ist Selenskyj an Firmen beteiligt oder deckt er ukrainische Firmen, die Geld auf Offshorekonten verstecken? Woher kommt das ukrainische Offshoregeld? Welche Verflechtungen bestanden und bestehen zwischen Selenskyj und dem Oligarchen Kolomojskj?

Reigen zum Selenskyj-Takt

Seit einem Jahr orchestriert die Ukraine die mediale und politische Welt virtuoser denn je, und vorneweg die Politiker der Nato-Staaten tanzen im Reigen zum Selenskyj-Takt, in makabrer Vorfreude mit dem Handlanger zur endgültigen Vernichtung Russlands. Noch besser als in seiner TV-Präsidentenposse. Jetzt reifen sogar Hinweise, der Sprengstoffanschlag auf die Nordstream-Pipelines im September vergangenen Jahres, sofort reflexartig den Russen in die Schuhe geschoben, könnte von einem ukrainischen Kommando verübt worden sein (Tagesthemen heute). Auftraggeber: (noch) unbekannt. Vor dem "großen Krieg": ungezinkte Karten auf den Tisch.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

20.12.2022 Gute Nacht Abendland
Rückgabe kolonialer Beutekunst an Nigeria

Von Walter Budziak

Als "ein Stück Gerechtigkeit" und "längst überfälligen Schritt" bezeichnet Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die heute vollzogene Rückgabe sogenannter Benin-Bronzen an Nigeria, dem Nachfolgestaat des Königreichs Benin, dessen Palast die britische Kolonialarmee 1897, also vor 125 Jahren, plünderte. Mehrere Tausend Kunstwerke sollen allein von dort nach Europa verfrachtet worden sein. Der Historiker Götz Aly spricht von "blankem Raub". Eine Maske aus Elfenbein aus einem königlichen Schlafgemach, Messing-Plastiken, die Köpfe verstorbener Herrscher abbilden, dazu Schmuckstücke und ein "repräsentatives Schwert" (Tagesschau von heute) hat Baerbock in ihrem Regierungsgepäck.

20 Objekte

Genau 20 Objekte umfasst das Kulturpaket, mit dem Deutschland zeigen wolle, "dass man es ernst meine mit der Aufarbeitung der dunklen Kolonialgeschichte", wie Baerbock vor ihrer Abreise staatstragend prahlte. Die mitreisende Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) assistierte: "Wir geben heute Nigeria, den Menschen in diesem Land, ihr kulturelles Erbe zurück und wir beschäftigen uns damit und setzen uns damit auseinander mit unserer eigenen kolonialen Geschichte" (Tagesschau,18.12.2022), posaunte Roth, mit dem eigenen kulturellen Erbe deutsche Sprache offenbar noch nicht so richtig vertraut.

Von deutschen Museen aufgekauft

Die Rückgabe an die nigerianische Regierung erfolgt im Rahmen einer feierlichen Zeremonie. In Benin-City im Südwesten Nigerias, dem Tatort des kolonialen Kunstraubs, soll mit deutscher Unterstützung eine Ausstellungshalle gebaut werden. "Wir heilen damit eine Wunde", so Baerbock bei der Unterzeichnung des Rückgabeabkommens am 1.7.2022 in Berlin. Nanette Snoep, Leiterin des Rautenstrauch-Joest-Museum in Köln, schätze, "dass etwa 70 Prozent des afrikanischen Kulturerbes in europäischen und nordamerikanischen Museen liegen", berichtet Markus Sambale vom ARD-Hauptstadtstudio in der Online-Ausgabe des Nachrichtenportals. Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und für das Berliner Humboldt Forum verantwortlich, spreche von einem "Modellfall" und rechne mit einer neuen Zusammenarbeit mit Nigeria und mit dem globalen Süden. So sollen weitere 70 Prozent der Kunstschätze aus Benin, die sich, von deutschen Museen aufgekauft, noch im hiesigen Besitz befinden, ebenfalls an ihren Entstehungsort zurückgegeben werden. Die restlichen dürfen als Leihgaben hier bleiben

Immer die gleichen Bilder

Sachsen (262 Objekte), Hamburg (179 Objekte) und Museen anderer Bundesländer schließen sich an und sichern Nigeria die Rückgabe von Benin-Bronzen vertraglich zu. Vermutlich werden also noch oft immer die gleichen Bilder den Fernsehzuschauern präsentiert werden: demütig dankbar strahlende afrikanische Minister oder Botschafter neben gönnerhaft gütig lächelnden weißwestlichen Baerbocks und Roths, eine Vertragsmappe oder irgendeine Bronzebüste irgendeines afrikanischen Potentaten gemeinsam in ihren Händen haltend der Kamera entgegen streckend.

Es gehe hier ums Symbolische, sagt Jürgen Zimmerer von der Universität Hamburg, nicht um den "großen Durchbruch bei der Aufarbeitung des kolonialen Erbes". Die Auseinandersetzung mit Museen und kolonialen Objekten mache nur einen kleinen Teil des kolonialen Erbes aus. Vielmehr gehe es auch um strukturelle Gewalt, um Ausbeutung wie den Genozid während und nach der Niederschlagung von Aufständen der Herero und Nama in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika 1904 bis 1908 (Tagesschau, 18.12.2022, Wikipedia).

Bis in die heutige Zeit

Dem pflichtet der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte sicherlich bei, wenn er gestern im niederländischen Nationalarchiv in Den Haag die Rolle der Niederlande bei der Sklaverei verurteilt. Männer, Frauen und Kinder seien ihren Familien entrissen und ihrer Menschlichkeit beraubt worden, als niederländische Sklavenhändler im 16. und 17. Jahrhundert mehr als eine halbe Million Menschen aus Afrika nach Südamerika und in die Karibik gewaltsam verschiffen ließen. Er biete im Namen der niederländischen Regierung seine Entschuldigung an, sagte Rutte vor versammelten Nachfahren ehemals Versklavter, bedauerte das Handeln des niederländischen Staates in der Vergangenheit und richtete seine Entschuldigung "posthum an alle, die weltweit zu Sklaven gemacht wurden, und auch an alle Töchter und Söhne, an alle Nachkommen bis in die heutige Zeit" (Tagesschau, 19.12.2022).

Die Baerbocks, Roths und Ruttes dieser Welt

Damit wollen sich die Angesprochenen jedoch nicht abfinden lassen. Sie fordern für die Verbrechen, die bis ins 19. Jahrhundert verübt worden seien und die Niederlande zu einem der reichsten Länder Europas gemacht hätten, "Entschädigungszahlungen und Schuldenerlass für die damaligen Kolonien". Die "Community der Nachfahren" fühle sich nicht mit einbezogen, bemängelt die in den USA aufgewachsene, heute in Amsterdam lebende Kulturhistorikerin Jennifer Tosch, 58, Tochter surinamischer Eltern (Tagesschau, 19.12.2022). Darauf will Rutte sich aber nicht einlassen. Noch nicht. So schnell werden die Betroffenen und zu Wiedergutmachungsforderungen Ermutigten vermutlich nicht lockerlassen.

Die Tiefe und Dimensionen des Fasses, das die Baerbocks, Roths und Ruttes dieser Welt innerhalb weniger Monate damit aufgemacht haben, dürfte kaum jemand erahnen, geschweige denn ermessen. Was fällt, materiell und humanitär, alles unter Verbrechen der Vergangenheit? Wie weit soll die Verantwortung heutiger Generationen für die Taten ihrer Vorfahren zurückreichen? Bis ins Mittelalter? Bis in die Antike? Welche Maßstäbe gelten bei der Bemessung sühnender Wiedergutmachung? Die damalige Wirtschaftsleistung? Der heutige Dollarkurs? Werden technische oder kulturelle Errungenschaften, die Eroberte von ihren Eroberern übernommen haben, gegengerechnet? Eisenbahnlinien, Post- und Telegrafenwesen, Schulen, Krankenhäuser? Kirchen und Missionsstationen fallen wahrscheinlich pekuniär kaum ins Gewicht, wenn die Nachfahren der Christen den Nachfahren der Heiden deren alte Götter zurückgeben müssen.

Sündenberg abarbeiten

In der Haut der Fridays-ohne-Future-Aktivisten möchte man jedenfalls jetzt erst recht nicht mehr stecken, wenn sie in dem Workanteil von ihrer Lifebalance erstmal den Sündenberg abarbeiten müssen, den ihre Vorfahren aufgehäuft haben, bevor sie sich wertebasiert und gendergerecht der Umwelt-, Klima- und weltweiten Friedenskrise annehmen können. Nachdem sie die aktuellen Anstiege der Rohstoff-, Energie-, Produktions-, Nahrungsmittel-, Boden-, Wohn-, Gesundheits- und Altersvorsorgekosten bewältigt haben. Gute Nacht weißer Westen, gute Nacht Abendland.

Alles in Jahrhunderten Ersegelte, Erarbeitete, Erkämpfte wird rückabgewickelt. Die Nachfahren aller weißen Einwanderer geben den Nachfahren der Indianer, der Aborigines, der Maya nicht nur Australien, Neuseeland und ganz Amerika von Kanada bis Feuerland zurück, sie erstatten den Nachfahren der Ureinwohner auch die Gewinne, die sie mit den Bodenschätzen, Öl- und Gasvorkommen in deren Heimatländern jahrhundertelang gemacht haben.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

12.12.2022 Was verfechten Sie genau, Herr Baum?
Offener Brief an den FDP-Politiker und ehemaligen Innenminister Gerhard Baum

Von Walter Budziak

Sehr geachteter Herr Baum,

Sie gefallen und gerieren sich gerne in der Rolle eines elder statesman als Verfechter und Verteidiger der Demokratie als einzig legitimer und moralisch hinnehmbarer Staatsform, die es um jeden Preis zu bewahren und zu beschützen gelte. Dazu sind Sie sich auch für keine Fernsehtalkshow zu schade, egal ob Maischberger, Lanz oder gestern wieder Anne Will. Der Talk kreiste um die Razzia, mit der 3 000 schwer bewaffnete Polizisten in der vergangenen Woche bundesweit gegen die sogenannte Reichsbürgerszene aufmarschiert sind. Ergebnis: 50 Festgenommene, danach 25 Inhaftierte, darunter auch die amtierende und jüngst trotz rotgrüner Gesinnungsklage gerichtlich als lauter bestätigte Berliner Richterin und frühere AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann. Sie preisen diesen „wehrhaften Einsatz“ als neuerlichen und immer dringender erforderlichen Sieg über die Feinde einer demokratischen Mehrheitsgesellschaft.

Was billigen, rechtfertigen und verteidigen Sie da genau? Was, wenn die demokratische Mehrheit mehrheitsdemokratisch keine Demokratie und damit keinen wie Sie als Volksvertreter mehr will?

Die Linke und die AfD, obwohl wahldemokratisch legitimiert, sortieren Sie schon mal innerparlamentarisch zu den geistig, politisch und moralisch Geächteten aus. Bleibt abzüglich der „Sonstigen“ Ihre demokratische Hausmacht, bestehend aus FDP, natürlich, SPD, Grüne und CDU/CSU, bei der letzten Bundestagswahl gewählt von insgesamt 76,1 Prozent der abgegebenen Stimmen. Bei einer Wahlbeteiligung von 76,6 Prozent aller Wahlberechtigten entspricht das 58,3 Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung. Hinter den 52 Prozent der gewählten Abgeordneten der aktuell amtierenden Regierung durch SPD, Grüne und FDP versammeln sich gerade mal 39,8 Prozent aller Wahlberechtigten in Deutschland. Bei einem solchen Minderheitenrückhalt würde ich mir, ganz demokratisch, mal anhören, was die mehrheitlich anderen denken und zu sagen haben, Herr Rechtsanwalt und Minister a. D. Baum.

Nochmal die Frage an Sie als glühender Verfechter einer demokratischen Mehrheitskultur: Was verfechten Sie genau?

Sie verfechten die Interessen, genauer den Machterhalt einer elitären autokratischen Minderheitenregierung - wie fernsehlive demonstriert mit Waffengewalt. Sie verfechten jahrzehntelang durchgetrickste Vorrechte, Pfründe, Privilegien einer dünkelhaften, saturierten Politklasse. Reinhold Messner, von ‚Beruf‘ Bergsteiger, ‚nebenberuflich‘ aber auch EU-Parlamentarier der italienischen Grünen (Federazione dei Verdi) von 1999 bis 2004, kassiert nach einer Sitzungsteilnahme von 56 Prozent (laut Anwesenheitsliste, gemessen an einer selbst bescheinigten Anwesenheit, wobei offen bleibt, wann die Anwesenheit begann und wann sie endete, Einzelheiten unter https://www.budziak.de/reflex_thema_politik.html#messner_bericht) und diversen staatsfinanzierten Fernreisen eine lebenslange Abgeordnetenvergütung von 3 000 Euro im Monat (ZDF, WISO, 15.9.2014). Jedem Arbeitnehmer wäre bei einer Abwesenheitsquote von 44 Prozent seiner erwarteten Arbeitszeit, selbst bei schwerster Krankheit, nach wenigen Wochen schon in der Probezeit fristlos gekündigt worden. Und, zum Vergleich: Nach 45 (in Worten: fünfundvierzig) vollzeitlichen Beitragsjahren und einem bundesweiten Durchschnittseinkommen darf der sprichwörtliche Eckrentner in den alten Bundesländern eine Rente zwischen 1 266,30 Euro und 1 287,45 Euro beanspruchen (Stand: Juli 2014, Focus Online, 23.9.2014).

Die Diäten und Versorgungsbezüge der Amtsträger und Abgeordneten des deutschen Bundestags, dem nach China zweitgrößten Parlament der Welt (warum wohl?), muss ich Ihnen, dem ehemaligen FDP-Funktionär, ja wohl nicht vorrechnen.

Um es nochmal auf den Punkt zu bringen: Eine demokratisch mehrheitlich ungewählte Minderheitsvertretung beansprucht das Steuerfinanzverteilungs- und Gewaltmonopol gegenüber einem mehrheitlichen Bevölkerungsanteil, von dem sie nicht gewählt und damit auch nicht legitimiert wurde. Wer oder was ermächtigt Sie, Herr Baum, sich politisch und moralisch „scheindemokratisch“ so zu erheben?

Ich freue mich auf Ihre demokratierechtliche Expertise und verbleibe mit zweifelnden Grüßen

Walter Budziak

Per Mail verteilt an:

info@gerhart-baum.de
kanzlei@baum-reiter.de
berlin@dpa.com
svogt@epd.de
redaktion@kna.de
Info@faz.net
redaktion@sueddeutsche.de
impressum@taz.de
kontakt@welt.de
chefredaktion@fr.de
steffen.klusmann@spiegel.de
melanie.amann@spiegel.de
thorsten.doerting@spiegel.de
info@stern.de
kontakt@zeit.de
politik@waz.de
kah@cdu.de
pressestelle@spd.de
info@gruene.de
info@fdp.de
bundesgeschaeftsstelle@die-linke.de
kontakt@afd.de

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

24.8./1.11.2022 Plattmachen einer ökologisch wertvollen Region für einen deutschen "grünen" Wohlstand
Abkommen zur Energielieferung zwischen Deutschland und Kanada

Von Walter Budziak

Gestern hat die deutsche Bundesregierung in personae von Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, und Wirtschaftsminister Robert Habeck, Grüne, in Kanada mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau ein Abkommen zur Lieferung erneuerbarer, also "grüner" Energie unterzeichnet. Wasserstoff, erzeugt mit Strom, vornehmlich aus Windenergie, soll als Ammoniak nach Deutschland verschifft werden und hier, wieder in Wasserstoff zurückverwandelt, das inzwischen verbreitet verhasste russische Gas ersetzten und so die Versorgung der deutschen Volkswirtschaft mit Energie sicherstellen. So der Plan.

Dazu soll an der Westküste Neufundlands auf der Halbinsel Port au Port ein Windpark mit zunächst 164 Windrädern gebaut werden. Notwendig und geplant sind außerdem gigantische Anlagen zur Herstellung, zum Transport und zur Verladung des Wasserstoffs und dessen speicher- und transportierfähigen Energieträgers Ammoniak.

Erste Lieferungen sollen 2025 erfolgen. Kanada knüpft große Erwartungen an das Abkommen. Schon 2030 wird der weltweite Jahresumsatz mit Wasserstoff auf 125 Mrd. Euro veranschlagt (Studie Roland Berger, Februar 2020), Kanada möchte bis 2050 zu den drei größten Produzenten weltweit gehören mit einem Umsatz von dann 32 Mrd. Euro. 360 000 neue Jobs sollen geschaffen werden, den die "Dekarboniesung" vorantreibenden Firmen winken Steuererleichterungen und Fördergelder in Höhe von 9,1 Mrd. Dollar (WirtschaftsWoche, 23.8.2022).

Operativer, also ausführender und wirtschaftlich kalkulierender Player in dem Energiepoker ist ein Firmenkonsortium, die World Energy GH2, angeführt von der Investmentgesellschaft CFFI Ventures Inc., geleitet von dem kanadischen Milliardär John Carter Risley, bisheriger "businessman with interests in fisheries, food supplements, and communications" (Wikipedia).

Die in Deutschland an dem Deal beteiligten unternehmerischen Akteure, heißt Importeure, sind Eon und - wer hätte es gedacht? - Uniper, der derzeitige Großimporteur russischen Gases, eine Abspaltung von Eon, zur Hälfte im Besitz von Fortum, an dem wiederum der finnische Staat federführend beteiligt ist. Zur angeblich notwendigen Rettung von Uniper sollten die deutschen Gasverbraucher ab 1. Oktober mit einer Verbrauchsumlage von 2,419 Cent je verbrauchter Kilowattstunde herangezogen werden. Der Plan wurde abgeblasen. Statt dessen haftet jetzt der deutsche Staat, sprich der deutsche Steuerzahler mit bis zu 30 Mrd. Euro (Tagesschau, 23.9.2022) für die inzwischen aufgelaufenen und absehbar weiter entstehenden Verluste.

Mit nennenswertem Widerstand wie den gegen vergleichbare bisherige Großprojekte wird nicht gerechnet. Die Akteure haben gelernt und die ortsansässige indigene Bevölkerung offenbar mit großzügigen Versprechen (Arbeitsplätze, Wirtschaftswachstum, Wohlstand) auf ihre Seite gezogen und, clevere PR-Strategie, das Projekt gleich „Nujio’qonik GH2“ („Wo der Sand weht“) getauft, eine Anlehnung an eine frühere Bezeichnung der Halbinsel Port au Port in der Sprache der indigenen Gemeinschaften Miawpukek First Nation und Qalipu. Hilflose 50 Protestler versuchten gestern in Stephenville, dem Ort, wo Scholz und Trudeau das Abkommen 'welthistorisch' unterschrieben, auf ihre Ablehnung gegen die großflächige Zerstörung ihrer Landschaft und ihres Lebensraums mit handgemalten Plakaten hinzuweisen, von der tagesschauerlich bemühten Weltpresse mitleidig abgelichtet.

Ein deutscher Wirtschaftsminister, politische und philosophische Lichtgestalt der "grünen" Umweltbewegten, vereinbart staatsabkömmlich zufrommen eines kanadischen Milliadärs das Plattmachen einer bisher intakten, ökologisch wertvollen Region auf der ohnedies schon geschundenen nördlichen Erdhalbkugel, um künftig ausreichend "grüne" Energie für den deutschen "grünen" Wohlstand abzusichern.

Grüngelbrotes Friedensklimaumwelttheater: Goldgräberzeiten für lupenreine Ökogeschäftemacher, Putin als Sündenbock, Politiker als willfährige Handlanger, Journalisten als Claqueure. Die Staatsbürgerherde applaudiert begeistert.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

29.6.2022 "Bis zum letzten Ukrainer"
Kriegstreiber USA spielen mit nuklearer Eskalation

Von Walter Budziak

"Die USA werden Russland bekämpfen bis zum letzten Ukrainer", wie der amerikanische Sprachwissenschaftler und Philosoph Noam Chomsky äußern sich seit Monaten viele namhafte Wissenschaftler und Publizisten in den USA zu ihrer Überzeugung und Befürchtung, US-Präsident Joe Biden wolle Russland in der Ukraine dauerhaft schwächen und besiegen und so die unipolare Weltherrschaft der USA zementieren.

In den USA, aber auch in Deutschland und den anderen europäischen Staaten werden derartige Mahnungen medial verschwiegen oder gar aktiv ignoriert und diskriminiert. Auch die europäische Politik unterwirft sich bedingungslos dem us-amerikanischen Diktat eines Vernichtungsfeldzugs gegen Russland, schon jetzt bewusst gravierende wirtschaftliche Einbußen in Kauf nehmend. Im Fall einer militärischen Ausweitung wird das Leben der eigenen Bevölkerung leichtfertig aufs Spiel gesetzt und eine weitgehende Zerstörung eigener Territorien hingenommen.

Selbst wenn die Ukraine eine diplomatische Lösung des Konflikts wollte, was von einem korrupten Selenskyi-Regime von US-Gnaden nicht zu erwarten ist (siehe Offener Brief an den Botschafter der Ukraine in Deutschland, Andrij Melnyk), die USA würden einem baldigen Kriegsende nie zustimmen, sagen die regierungskritischen us-amerikanischen Intellektuellen. Joe Biden setze auf einen jahrelangen Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland in Europa, und die Gefahr einer nuklearen Eskalation steige von Tag zu Tag, je mehr Russland seine Existenz bedroht sehe.

Nachstehend einige Links zu Publikationen, die diese Annahmen stützen. Um das mediale Schweigen hierzulande auf dieser medial abgewürgten Seite des Meinungsspektrums zu brechen, soll die Liste in den kommenden Wochen kontinuierlich ergänzt werden:

C.J. Polychroniou, Noam Chomsky, "Insistieren, dass ein Atomkrieg eine undenkbare Politik ist"

Klaus-Dieter Kolenda, "Krieg zwischen den USA und Russland"

Christopher Caldwell, Welche Rolle spielen die USA?

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

20.6.2022 Haben Sie eigentlich Eier, Herr Melnyk?
Offener Brief an den Botschafter der Ukraine in Deutschland,
Andrij Jaroslawowytsch Melnyk

Von Walter Budziak

Nicht, dass es mich persönlich tangierte, ich frage Sie aus rein journalistischem Interesse. Um Ihre Poltereien und Pöbeleien gegen Ihr Gastland in allen deutschen TV-Talkshows und kreuz und quer durch die bundesrepublikanische Printmedienlandschaft zu verbreiten, benötigen Sie ja keine Eier. Die gesamte Prominenz der deutschen Journaille lässt Ihnen ja ohne Kritik oder gar Widerspruch jedwede Unverschämtheit und Anmaßung willfährig, mitunter ergeben hofierend durchgehen, die Ihre großschnäuzige ukrainische Klappe in die Welt posaunt.

Aus historischer Sicht kann der Grund, warum Sie so rotzfrech eine dicke Lippe riskieren, nicht mit der Dicke Ihrer Eier zusammenhängen. Historisch haben Sie und Ihre ukrainischen Landsleute nämlich keine Eier.

Hätten die Ukrainer historisch Eier, hätten sie nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Staatengemeinschaft des Warschauer Pakts gesagt, okay, wir sind frei, wir schultern die Lasten der Vergangenheit, jeder Staat, jede Nation hat ihr historisches Päckchen zu tragen, wir haben Bodenschätze, wir haben jede Menge fruchtbares Ackerland, wir leben in einem gedeihlichen Klima, wir sind stark, wir sind intelligent, wir packen es an, wir bauen uns einen Staat, nach westlichem oder wer weiß welchem Vorbild, bemühen uns um vernünftige Beziehungen zu allen Nachbarstaaten und reihen uns ein und spielen ebenbürtig und unabhängig mit in Europa und in der Welt. Danach überlegen wir, mit welchen Ländern wir engere Bindungen eingehen wollen.

Hätten die Ukrainer sagen und so machen können. Wenn sie die Eier dazu gehabt hätten. Hatten sie aber nicht. Hätte ja ein bisschen dauern können, bis sich die Früchte der Arbeit als allgemeiner Wohlstand auszahlen. Sich an die Rockzipfel der westlichen Staaten, allen voran an die der USA und Deutschlands, zu hängen war ja viel einfacher und brachte auch viel schneller den Reichtum, allerdings nicht für die Allgemeinheit, sondern für die korrupten Machteliten.

Ging ja auch ganz locker mit der Drohung: Wenn ihr uns auf eure Seite ziehen wollt, ihr Weststaatler, dann lasst mal ordentlich Kohle rüberwachsen, sonst überlegen wir uns nämlich, ob wir uns nicht doch für die Russen als Partner entscheiden. Und besonders die USA waren schon immer schnell dabei, wenn es gegen Russland darum ging, Diktatoren und korrupte Regime großzügig zu finanzieren. Beispiele gibt es einige, Augusto José Ramón Pinochet Ugarte in Chile, der Schah von Persien, Mohammad Reza Pahlav, Muammar Muhammad al-Gaddafi in Libyen, Saddam Hussein im Irak oder zuletzt Hamid Karzai in Afghanistan. Aber Vorsicht, Melnyk, die USA haben die meisten ihrer Verbündeten später am langen Arm verhungern lassen oder in Schutt und Asche gebombt.

Und dann, dazu brauchten die Ukrainer auch keine Eier, die starken Westfreunde im Rücken, den Russen die lange Nase machen. Pfeifen auf eine auskömmliche Nachbarschaft auch mit dem östlichen Nachbarn. Ätsch, ihr könnt uns mal, ihr russischen Ärsche, jetzt zeigen wir euch mal, was eine ukrainische Harke ist. Die eigene russischsprachige Bevölkerung vor allem in der Ostukraine drangsalieren und demütigen, sie in ihrer Pressefreiheit einschränken, ihnen ihre russische Muttersprache verbieten, sie gesellschaftlich isolieren, bis dem Kreml in Moskau, der sich für seine Landsleute im Ausland verantwortlich sieht, der Kragen platzt, bis Putin beschließt dazwischenzugehen.

Großes Gezeter, auch nicht gerade ein Zeichen für Eier in der Hose. Der böse Putin tut uns weh. Ihr in eurem Komfortwesten, ihr müsst uns helfen. Ihr müsst den Russen ihre Flugzeuge wegschießen. Wir brauchen eure Panzer, Haubitzen und Sturmgewehre, damit wir uns wehren können. Wenn ihr uns nicht helft, werden wir von den Russen ausgelöscht. Dann werdet ihr sehen, was ihr davon habt. Dann plündern die Russen demnächst auch bei euch die Städte und vergewaltigen eure Frauen. Besonders ihr Deutschen, ihr seid uns aus eurer Nazivergangenheit noch einiges schuldig. Schlimmer noch, ihr habt euch über alle Gräben vergangener Kriege wieder mit den Russen verständigt. Schande über euch, wir könnten noch viel mehr von euch verlangen.

Bullshit, Herr Melnyk. Hören Sie auf damit, sich in die Hoheitsrechte ihres Gastlands einzumischen, in Deutschland wird auch ohne Ihr ständiges Krakeele demokratisch entschieden, mit wem Freundschaften gepflegt und Handel getrieben wird, wem wann und wie geholfen wird, wem wann, welche und wie viele Waffen geliefert werden. Ich bin übrigens strikt gegen Lieferungen von Kriegswaffen, egal an wen. Wenn Ihnen die gelieferten Waffen nicht reichen, dann kaufen Sie sich welche, kein Mensch hindert Sie daran. Ach, Geld haben Sie auch keins. Wo sind denn die Hunderte Milliarden Euro hin versickert, die der Westen Ihrem Land in den letzten Jahren zugesteckt hat?

Unsere Angst vor einem dritten Weltkrieg können Sie nur bedingt nachvollziehen, haben Sie der Berliner Zeitung vor wenigen Wochen gesagt. Der dritte Weltkrieg habe bereits begonnen. Putins Angriff auf die Ukraine betreffe alle, "auch die Deutschen, wenn auch noch nicht militärisch“. Der Krieg richte sich gegen den „kompletten Westen, gegen unser Wertesystem“.

Ihr ständiges Mantra, die Ukrainer kämpften auch für alle anderen Länder des Westens um den Erhalt ihrer Werte und Freiheiten, Herr Melnyk, bevor Sie jetzt völlig größenwahnsinnig werden, die Werte einer korrupten ukrainischen Machtclique sind mit meinen Werten nicht vereinbar, bilden Sie sich das bloß nicht ein. Und meine Freiheiten verteidige ich selbst. Auf meine Weise. Mich interessiert nicht, wer wen zuerst provoziert, wer wem zuerst das Schüppchen weggenommen, wer wen zuerst gehauen hat, klären Sie das unter sich. Dazu bräuchte es allerdings vermutlich die besagten Eier. Sie bringen mich nicht dazu, mir Ihren überflüssigen Krieg zu eigen zu machen. Oder frei nach BAP ausgedrückt: Plant mich bloß nicht bei euch ein, ... ich hab' mit eurer Logik, mit eurem Krieg und dem Blut der Opfer nix am Hut. Das können Sie gerne auch Ihrem komischen Chef in Kiew von mir ausrichten.

Und noch eins, Herr Melnyk: Sie haben Harald Welzer in der ARD vorgeworfen, er habe in seinem Professorenzimmer leicht über diplomatische Lösungen reden, warum kämpfen Sie mit Ihrem Großmaul nicht an der Seite Ihrer Landsleute an der Heimatfront, anstatt hier in den warmen Fernsehstudios faul in Sesseln 'rumzusitzen? Ihre russischen Gegner würden sicher sofort reihenweise kapitulieren.

Mit friedfertigen Grüßen
Walter Budziak

Per Mail verteilt an:

ukremb@ukrainische-botschaft.de
berlin@dpa.com
svogt@epd.de
redaktion@kna.de
Info@faz.net
redaktion@sueddeutsche.de
impressum@taz.de
kontakt@welt.de
chefredaktion@fr.de
steffen.klusmann@spiegel.de
melanie.amann@spiegel.de
thorsten.doerting@spiegel.de
info@stern.de
kontakt@zeit.de
politik@waz.de

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

25.3.2022 Ukrainekrieg: Hängt sie höher!
Kopfgelder auf reiche Russen

Von Walter Budziak

Beklemmende Vorschläge streut die ZEIT dieser Tage unters Volk. In ihrer aktuellen Ausgabe vom 24. März fordert der Co-Leiter des Streit-Ressorts der Wochenzeitung, Jochen Bittner, allen Ernstes:

"Warum nicht etwa Millionenbeträge auf Informationen aussetzen, die helfen, kriminell erworbenes Vermögen von Kreml-loyalen Oligarchen zu beschlagnahmen? Das würde Putins Hofstaat schwächen, während das Geld die Ukraine stärken könnte. [ ... ] Ein deutliches Signal von Wohlwollen sollte die Bundesregierung schließlich an alle potenziellen Putin-Gefährten senden, die mit dem Gedanken spielen, den Diktator zu stürzen: Beendet den Krieg, und ihr werdet belohnt - zumindest kommen die Gaseinnahmen zurück."

Das bedeutet nichts anderes als unter Umgehung aller rechtsstaatlichen Standards der Aufruf, auf das Eigentum und das Leben einzelner Personen nach Wild-West-Manier ein Kopfgeld auszusetzen. Warum nicht gleich die Forderung: Hängt sie höher!? Erschreckend und beschämend, wie schnell die Zivilwerte, auf die sich "der Westen" moralisierend so gern beruft, selbst von mutmaßlichen Intellektuellen verschoben, ja, verraten werden. Wie nach dem 11. September 2001 die USA tappen nun auch die Europäer in die Falle, die Opfer zu Tätern macht, ausführlich beschrieben von Stefan Aust, ehemaliger Chefredakteur des Spiegel, und Detlev Konnerth in der Filmdokumentation Die Falle 9/11. Auch in Europa heiligt der Zweck jetzt offenbar jedes Mittel.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

9.3.2022 Biden überlässt Putin die Drecksarbeit
Zwei Gedanken zum Ukrainekonflikt

Von Walter Budziak

Als Historiker weiß ich, gegenwärtige Ereignisse sind später in der geschichtlichen Betrachtung fast nie so, wie sie auf den ersten Blick als "Zeitenwende" (Bundeskanzler Olaf Scholz am 27. Februar im Bundestag) erschienen. Und als Journalist bin ich alarmiert skeptisch, wenn die ganze rechtschaffene Welt moralisch missioniert in einen Schlachtruf einstimmt, egal, ob für etwas grenzenlos Gutes oder gegen etwas abgrundtief Böses. Beides sind mystisch beeinflusste Verhaltensweisen mittelalterlicher, ja vorchristlicher Prägung. Wie die Heilslehre der Grünen ist meines Erachtens auch die monokausale Bewertung der aktuellen Vorgänge in der Ukraine ein Beispiel für meine in einem anderen Text ausgeführte These: Das Mittelalter lebt.

Wirtschaftlich um Jahre zurückgeworfen

Treten wir nur für einen Moment einen Schritt zurück und lassen von vielen weiteren Möglichkeiten zwei Gedanken ohne Vorzensur einfach nur zu.

Erster Gedanke: Wer könnte von den Spannungen zwischen Russland und der Ukraine, für die die westliche Welt unisono den russischen Präsidenten Wladimir Putin verantwortlich macht, letztlich am meisten profitieren? Auch wenn die schlimmste aller Befürchtungen, die atomare Konfrontation, nicht eintritt, am Ende des Konflikts liegt Russland moralisch und wirtschaftlich (selbst-)zerstört am Boden, aber auch die Länder der EU, allen voran Deutschland, ächzen unter enormen Rüstungs-, Rohstoff- und Energiekosten, unter einer sinkenden industriellen Produktion und Wirtschaftsleistung, unter fallenden Steuereinnahmen und Aktienkursen, finden sich wirtschaftlich um Jahre, wenn nicht Jahrzehnte zurückgeworfen.

Hinzu kommen, wenn die Ukraine und damit wohl auch Serbien beitreten, steigende Integrationskosten der EU, die von den prozentual weniger werdenden Nettozahlern aufgebracht werden müssen. Bei all dem ist noch kein Euro in eine beabsichtigte dekarbonisierte Chemie-, Stahl-, Aluminium- oder Betonerzeugung investiert worden, kein Euro in erklärte Zukunftsprojekte wie Energie-, Verkehrs- oder Agrarwende.

Völkerrechtsverstoß besonders seitens der USA mehr als scheinheilig

Den USA ist die Wirtschaftskraft der EU nicht erst seit der Präsidentschaft Donald Trumps ein Stachel im Fleisch. Sie stehen mit giganten Staatsschulden und steigender Inflation wirtschaftlich auf der Kippe. Die USA haben schon einmal von einen Weltkrieg außerhalb ihres eigenen Territoriums wirtschaftlich enorm profitiert. Also, was spricht gegen eine mögliche Erklärung, US-Präsident Joe Biden lässt die Russen unter der Knute ihres Verhängnisses Wladimir Putin, so lange er sich innerstaatlich überhaupt noch durchsetzen kann, von der NATO angestachelt, die Drecksarbeit machen, danach ist er die Russen, seine Widersacher im Geiste, für immer los, erhält möglicherweise sogar Zugriff auf deren Rohstoffe, muss sich in der Arktis im Streit um die dort lagernden Gas- und Ölvorkommen mit einer Gegenmacht weniger rumschlagen, hat die EU als konkurrierende Wirtschaftsmacht und Mitbewerber auf den Absatzmärkten vom Hals und kann seine eigene Wirtschaft zu neuem Glanz erwecken und sich ganz auf den einzigen verbliebenen Gegner im Weltwirtschaftspoker, China, konzentrieren. Viele weitere Aspekte sind denkbar. Zu verlieren haben die USA im Vergleich zu den europäischen Ländern in dem Konflikt wenig. Und der in der derzeitigen einseitigen politischen und medialen Hetzjagd der westlichen Welt gegen Putin in Dauerschleife erhobene Vorwurf eines Völkerrechtsverstoßes ist besonders seitens der USA mehr als scheinheilig.

US-Amerikaner am 11. September 2001 noch Opfer

Zweiter Gedanke: In ihrer 90-minütigen Filmdokumentation Die Falle 9/11 haben der ehemalige Chefredakteur des Spiegel, Stefan Aust, und Detlev Konnerth zehn Jahre nach den verheerenden Anschlägen islamischer Terroristen in New York und Washington detailliert die Motivation der Täter und die Reaktionen der Opfer dargelegt. "Am 11. September 2001 waren die US-Amerikaner noch Opfer," resümiert Aust in seiner Biografie 2021, das Land sei im Schock gewesen, "und im Schock auch seine Regierung; doch die tat alles, um sich aus der Opferrolle zu befreien." Was unter den Präsidenten George W. Bush und Barack Obama folgte, waren Vernichtungskriege in Irak, Libyen und Afghanistan, Einkerkerungen ohne Anklage und Verteidigung in Guantanamo, Tötungskommandos per Kampfdrohne mit zahllosen zivilen Opfern, geheime Foltergefängnisse in Ungarn, Rumänien oder wer weiß sonst wo, um nur einiges zu nennen.

Alle Anzeichen eines neuen Dreißigjährigen Glaubenskrieges

Das Kalkül der Al-Quaida und ihres Anführers Osama bin Laden, den Erzfeind zum Verrat seiner eigenen Werte und Ideale zu zwingen, war voll aufgegangen. Und in der Falle stecken die USA bis heute. Die Gegner töten und sterben nicht mehr im Namen von Al-Quaida, die Gegner töten und sterben heute im Namen einer Terrortruppe Islamischer Staat. Der Krieg, der mit einem Angriff auf die Symboltürme des amerikanischen und des globalen Kapitalismus begonnen habe, fast Aust zusammen, gehe weiter, trage inzwischen alle Anzeichen eines neuen Dreißigjährigen Glaubenskrieges, ausgelöst "von religiösen Fanatikern, denen eine tumbe amerikanische Regierung auf den mörderischen Leim ging." Wer auf Rache sinne, der grabe zwei Gräber, lässt Aust den chinesischen Philosophen Konfuzius (551 - 479 v. Chr.) sprechen.

Parallelen zwischen islamistischen und russischen Frustrationen

Was, wenn Wladimir Putin die gleichen Fallstricke ausgelegt hat wie 2001 Osama bin Laden, was, wenn die EU-Länder und all die anderen Hüter westlicher Staats- und Regierungsgebote unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz, SPD, im Kavelleriegalopp jahrzehntelange Friedens- und Abrüstungsvorstellungen zertrampelnd in die gleiche Falle tappen? Was, wenn wir uns sehenden Auges in einen Krieg verstricken, dessen Regeln wir nicht kennen, dessen Grenzen wir nicht kennen, dessen historischer Einordnung wir uns verweigern?

Israel besetzt mit Waffengewalt täglich völkerrechtswidrig westjordanisches Territorium, von einer moralisch begründbaren, aber gleichwohl völkerrechtlich höchst fragwürdigen Staatsgründung auf vormals palästinensischem Gebiet mal ganz abgesehen. Alles unter den Fittichen der selbsternannten westlichen Menschenrechtsgemeinschaft. Russland beklagt (Quelle: Statista) in Folge westlicher, nämlich deutscher Aggression im 2. Weltkrieg die meisten Opfer, 24 Millionen, 10 Millionen Soldaten, 14 Millionen Zivilisten. Deutschland trägt 7,7 Millionen Kriegstote zu Grabe. Die USA, nur um die beim ersten Gedanken angesprochene Dimension, wer wie viel aufs Spiel setzt, in Erinnerung zu rufen: knapp 420 Tausend. Parallelen zwischen islamistischen und russischen Frustrationen angesichts westlicher moralischer und wirtschaftlicher Hybris, könnte da nicht etwas dran sein?

Meinung als Bekenntnis

Zwei Gedankenstränge von vielen möglichen. Jeder gewaltsam, auch jeder durch Unfall, Krankheit oder anderswie vorzeitig Getötete und Gestorbene ist einer zu viel. Ich bin kein Prediger. Ich bin ein Beobachtender, ein Hoffender und ein Zweifelnder. Ob die westlichen, scheinbar noch immer christlich-mystisch verhafteten Gesellschaften es jemals schaffen, den heilsverheißenden mittelalterlichen Gelübten der Gerechten gegen die Ungerechten abzuschwören.

Welchen Selbsttäuschungen und Wahrnehmungsverschiebungen Menschen erliegen, die nur noch zwischen Freund oder Feind unterscheiden, die jede Meinung sofort als Bekenntnis für oder gegen etwas bewerten, und wie die Begrifflichkeiten, die sie dabei verwenden, Realitäten ausblenden oder verfälschen, darauf ist die promovierte Völkerrechtlerin, ehrenamtliche Richterin und erfolgreiche Schriftstellerin ("Unterleuten", 2016) Juli Zeh gestern in der WDR 5-Redezeit (hier im Podcast nachzuhören) zum Thema "Normalität" mit der ihr eigenen Klarheit und Tiefe eingegangen. Wenn jemand Normalität als Abwesenheit von Veränderungen, Störungen oder Erschütterungen quasi als Anspruch definiere, sagt sie, das sei "ein bisschen vermessen", da sprächen ein paar Jahrzehnte Wohlstand und Frieden aus uns, was toll sei, was einen aber "nicht vollkommen dekadent machen sollte".

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

1.12.2021 Das Mittelalter lebt
Künftige Ampelherrscher wie Musketiere in einem billigen Ritterepos

Ich lese gerade Apokalyptiker und Propheten im Mittelalter. Mich interessieren die großen geistigen Ströme in der Menschheitsgeschichte. Einzelne Ereignisse beschäftigen mich weniger, es sei denn, sie markieren einen Anfang oder eine Wende in den wirklich prägenden Kapiteln der Geistesgeschichte. Wie etwa 1492 die Entdeckung Amerikas durch Cristoph Kolumbus. Die Tat an sich war gar nicht so bedeutend und wurde lange Zeit auch völlig falsch eingeordnet. In Wahrheit hatte der Isländer Leif Eriksson schon 500 Jahre vorher den amerikanischen Kontinent betreten. Aber erst Cristoph Kolumbus löste das aus, was wir bis heute die Zeit des Kolonialismus nennen.

Geografisch beschränke ich mich auf die weitestgehend europäischen Gebiete, Kleinasien und Ägypten in der Antike natürlich mit einbezogen. Die zeitgeistigen Epochen in Fernost oder Afrika sind mir fremd. Ich verstehe und spreche die Sprachen nicht. Ich sehe mich in einer europäischen Tradition, nicht in einer kosmopolitischen. Das ist vielleicht ignorant, dessen bin ich mir bewusst.

In seinem Buch konzentriert sich der britische Historiker Norman Cohn im wesentlichen auch nur auf das Gebiet mit dem heutigen Holland, Belgien und Frankreich im Westen, Deutschland in der Mitte, Tschechien und Slowakien im Osten sowie Italien im Süden. Das liegt an dem Thema, das er bearbeitet, hängt aber auch mit den Quellen zusammen, die er erschließen und auswerten konnte.

Christliche Mythologie als geistige Klammer

Zeitlich liegen die Vorkommnisse, die Cohn zitatenreich dokumentiert, zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert. Sein roter Faden ist eine Abfolge immer wieder entfachter Zusammenschlüsse durchweg religiös bewegter Menschen. Eine der wenigen Ausnahmen bildeten um 1525 die Bauernkriege, die vornehmlich in Süddeutschland losbrachen und wohl eher die Stärkung einer bäuerlichen Stellung gegenüber dem Adel zum Ziel hatten.

Die geistige Klammer, die alle Bewegungen, auch die Bauernkriege, antrieb, war die christliche Mythologie, teils bis auf das Urchristentum zurückgreifend, teils jüngeren eschatologischen Endzeitphantasien nachfolgend. Die Anführer waren immer Fanatiker, Mönche, die ihre Klöster verlassen hatten, Eremiten, versprengte Söldner, aber auch Vagabunden oder Abkömmlinge des niederen Adels. Allen gemeinsam waren wohl eine gewisse Gelehrtheit von den damals verbreiteten Schriften, eine gewisse Beredtsamkeit und eine innere suggestive Kraft.

Die Gefolgschaften, die sich um die Anführer scharten, entstammten mehrheitlich der verelendeten Bevölkerung, auf dem Land ebenso wie in den Städten, anfänglich in Nordfrankreich, Belgien und entlang des Rheins, ab dem 13. Jahrundert auch in Süddeutschland, Tschechien und Norditalien. Nicht selten schlossen sich auch Handwerker, Vertreter des Bürgertums und adelige Laien den Gruppen an, verschenkten oder verkauften ihr Hab und Gut. Andere sympathisierten nur und gewährten den Sektierern Essen, Kleidung, Unterkunft.

Antichrist in Person der Papstes oder des Königs

Die Feinde, gegen die fast alle Umtriebe ankämpften, waren der Antichrist in Person der Papstes oder des Königs, der Klerus allgemein wegen seiner ausschweifenden Lebensweise und die Juden als Ungläubige und Verräter. Sie alle galt es zu erschlagen, zu köpfen oder zu verbrennen. Danach beginnt für die übrig gebliebenen Rechtgläubigen, so die Weissagungen, das Reich Gottes, in dem Milch und Honig fließen und den Menschen alle Lasten und Sorgen genommen werden.

Die vom Urchristentum inspirierten "Auserwählten", eine Lehre, der viele Erhebungen anhingen, erwartete ein Gottesreich ohne individuelles Eigentum, wie das Wasser, die Luft und die Sonne gehört allen alles, der Boden, die Tiere, das Korn. Auch der "Wucher" in Form von Geld und Zinsen spielte im Reich des Herrn keine Rolle mehr.

Erlöserfantasien in tausendjährigen Zeiträumen

Ein Joachim von Fiore, zwischen 1130 und 1135 in Kalabrien geboren, entwickelte eine andere heilsgeschichtliche Bibelauslegung. In seiner Lehre teilt er die Geschichte gemäß der Dreifaltigkeit Gottes in drei Zeitalter. Das Zeitalter des Vaters endet mit dem Alten Testament, das des Sohnes beginnt mit dem Neuen Testament und endet mit dem Beginn des dritten Zeitalters, das des Heiligen Geistes, das er auch das "Dritte Reich" nennt. Alle Entzeitprophezeiungen, auch die anderer Erlöserfantasien von einer Wiedergeburt Christi, dachten in tausendjährigen Zeiträumen. Das tausendjährige "Dritte Reich", das Joachim von Fiore vorhersagte, sollte 1260 beginnen.

Alle häretischen, von der offiziellen christlichen Lehre abweichenden spirituellen und mystischen Bewegungen, die Cohn beschreibt, hier aufzuführen, wäre müßig. Ich empfehle, das Buch zu lesen. Manche zogen mit wenigen Hundert Mann durch die Lande und wurden von fürstbischöflichen Reitern alsbald gestellt, eingekerkert, gefoltert und verbrannt. Aus anderen wurden richtige Bewegungen, die ganze Landstriche und Städte erfassten und sogar eroberten. Wer von den Anhängern nicht hochheilig widerrief, den ereilte letztendlich aber das gleiche Schicksal. Ein anderes Ende fanden die Kreuzzügler, die in mehreren Wellen nach Jerusalem aufbrachen, um die Stadt von den Ungläubigen zu befreien und auf den wiederkehrenden Messias einzustimmen. Sie starben auf dem Weg dorthin oder wurden von den dort herrschenden Islamisten niedergemetzelt.

Dammbruch in der Geistesgeschichte

Zu den Apokalyptikern, die in Europa mehrmals von sich Reden machten, gehörten die Geißler. Sie zogen, in Lumpen gekleidet und sich selbst mit hakenbesetzten Peitschen kasteiend, von Stadt zu Stadt, um Buße zu tun und ohne Sünde in das bevorstehende Reich Gottes aufgenommen zu werden. Das sollte, nachdem es 1260 nicht geklappt hatte, dann 1380 endgültig so weit sein.

Für mich das Spannende und der Grund, warum ich das alles erzähle, ist die geistig-theologische Wende, die ein Martin Luther einleitete und die der astronomischen eines Kopernikus mindestens gleichkommt. Alle antipäpstlichen und antiklerikalen Bewegungen davor betrachteten die geistlichen Würdenträger mit ihren Vorrechten, zu predigen und die Sakramente zu erteilen, bei aller Kritik und Wut auf deren ausschweifende Lebensweise dennoch als Mittler zwischen jedem einzelnen Laien und Gott. Das von aller Last und Not erlösende bevorstehende Gottesreich würde über sie kommen, würde ihnen geschehen. Wenn sie sich nur büßerisch darauf vorbereiteten. Luther hat nicht nur die Bibel ins Deutsche übersetzt, er hat dargelegt, jeder einzelne kann ohne priesterliche, bischöfliche oder päpstliche Hilfe direkt über Gottes Wort mit Gott eine Verbindung eingehen. Das war ein Dammbruch in der Geistesgeschichte. Nicht nur in der theologischen.

"Heraufführung" eines "Tausendjährigen Reiches völliger Gleichheit"

Hatten sich die Apokalyptiker und Mystiker bisher als Verkünder und Mahner hervorgetan, gaben sie sich jetzt als Vollstreckende und direkt von Gott Erkorene, wenn nicht gar als Gott selbst, das Reich Gottes zu errichten und alle Widersacher zu vernichten. Gleich Thomas Müntzer, fünf oder sechs Jahre jünger als Luther, im thüringischen Stolberg geboren, sah sich mit seinem "Bund der Auserwählten", den er anführte, zur "Heraufführung" eines "Tausendjährigen Reiches völliger Gleichheit" direkt von Gott beauftragt, der ihm erschienen sei und ihm den Sieg versprochen habe im Vernichtungskrieg der Gerechten gegen die Ungerechten. In den Bauernkriegen 1525 stellte sich Müntzer an die Seite der Aufständischen und versprach, die feindlichen Kanonenkugeln in seinen Mantelärmeln aufzufangen.

Embleme der kaiserlichen und päpstlichen Gewalt

Als "Messias der Endzeit", "König der ganzen Welt" und "Herr über alle anderen Könige, Fürsten und Großen" ließ sich Johann (Jan) Bockelson1534 in Münster zum "König des Neuen Jerusalem" inthronisieren. Der Schneider aus einem holländischen Dorf in der Nähe von Leiden hatte sich den Wiedertäufern angeschlossen. In ihren Lehren berief sich diese Bewegung wie viele andere Sektierer auch auf die Mythologie des Joachim von Fiore von den drei tausendjährigen Zeitaltern, dessen drittes, das "des Triumphes der Heiligen und der Vergeltung", nun anbreche.

Nachdem zu Pfingsten 1528 ein weiterer Termin geplatzt war, an dem Christus wiederkehren sollte, "um das zweischneidige Schwert der Gerechtigkeit in die Hände der wiedergetauften Heiligen" zu legen, nahm das Täufertum in Holland und Nordwestdeutschland so richtig Fahrt auf. Als Zeichen seines Anspruch als "einziger gerechter König über alle" zeigte sich Bockelmann gern mit einer Erdkugel, von zwei Schwertern durchbohrt, bis dahin die Embleme der kaiserlichen und päpstlichen Gewalt. Über ein Jahr errichtete er in Münster eine Schreckensherrschaft, die jede Kritik und jeden Versuch, die Stadt zu verlassen, mit dem Schwert beantwortete. Das bekam auch seine Ehefrau zu spüren, die er eigenhändig mit seinem Schwert öffentlich enthauptete.

Größenwahn der Anführer und Folgebereitschaft breiter Massen

Historiker bezeichnen die Zeit nach Luther und Kopernikus als Neuzeit. Die Deklaration der Menschrechte 1789 und alles, was sonst mit dem Begriff Aufklärung umschrieben wird, sowie unzählige Gesetze und Rechtsvorschriften, waren und sind sie Fortschritte in der Ideen- und Geistesgeschichte, wenigstens in der europäischen? Auffallend bei allen mittelalterlichen apokalyptischen Erhebungen der Albigenser, Freigeister, Amalrikaner, Hussiten, Taboriten und wie sie sonst noch hießen, sind der immer wieder erkennbare Größenwahn der Anführer und die Folgebereitschaft mehr oder weniger breiter Massen, denen wie in Münster auch Vertreter des gehobenen Bürgertums und des Magistrats angehörten. Nach Parallelen zum tausendjährigen Dritten Reich eines Gefreiten aus Braunau, Adolf Hitler, und den Kräften, die er entfesselte, muss man, glaube ich, nicht lange suchen.

Wissenschaft und Kampfparole von Protestbewegungen

Mit den ersten Fotos aus dem All von "der Erdkugel als zerbrechlicher blauer Murmel (blue marble)" wurde die Aufklärung um ein Kapitel erweitert, das der Umwelthistoriker Frank Uekötter als "ökologische Revolution" bezeichnet. Es folgten 1970 der erste, von den Vereinten Nationen ausgerufene Earth Day [?]Tag der ErdeWeltweiter Aktionstag gegen Umweltverschmutzung, erstmals 1969 von einer UNESCO-Konferenz in San Francisco vorgeschlagen und am 21. März 1970 erstmals begangen. Seit 1990 unterstützen Hunderte Mio. Menschen in über 140 Ländern die Kampagne, die auch die Klimakonferenzen der Vereinten Nationen 1992 in Rio de Janeiro oder 2009 in Kopenhagen beeinflussten. Al Gore, von 1993 bis 2001 Vizepräsident unter Bill Clinton, zählt zu den vielen prominenten Unterstützern.. und 1972 der Bericht des Club of Rome, Die Grenzen des Wachstums. "Nach den Erfahrungen der Apollo-Missionen", schreibt Die Zeit am 11. November 2021, "die einem globalen TV-Publikum den Gegensatz zwischen ihrem 'Raumschiff Erde' (...) und dem lebensfeindlichen Weltraum vor Augen führte, erschien diese Erde mit der Atmosphäre als 'lebenserhaltendem Bordsystem' so verletzlich wie nie zuvor." In den 1970er Jahren, so das Blatt weiter, endete mit der enttäuschten Hoffnung auf einen "Sozialismus mit menschlichem Antlitz" das Zeitalter der Großideologien. "Die ökologische Idee", zitiert Die Zeit den Umwelthistoriker Joachim Radkau, sei "als einzige geistige Großkraft" übrig geblieben "als Lebensphilosophie und als Herrschaftslegitimation, als Wissenschaft und als Kampfparole von Protestbewegungen".

Ewige Verdammnis in der Hitze- und Dürrehölle

Die Jahreszahlen 1260, 1380 oder 1528 der eschatologischen Weissagungen von einer Errichtung eines Reichs Gottes und dem Beginn eines tausendjährigen "Goldenen Zeitalters" ersetzt heute eine 1,5-Grad-Apokalypse. Ungläubige heißen heute Klimaleugner, Auserwählte sind heute Klimaretter. Den einen droht immer noch ewige Verdammnis in der Hitze- und Dürrehölle, die anderen werden eintreten ins Paradies unendlicher nachhaltiger, dekarbonisierter Energie. "Vom Umweltschutz zum Öko-Wahn", was der Spiegel in seiner 39. Ausgabe 1995 schon vorausahnte, ich sehe das schwedische Schulkind Greta Thunberg mit gotteszornigem Blick Protestmärsche anführen, ich sehe die künftigen Ampelherrscher wie Musketiere in einem billigen Ritterepos mit den grünverklärten Heiligkeiten Annalena Baerbock aus Pattensen und dem Doktor philosophiae Robert Harbeck [?]Promotionsthema1996 Magisterabschluss an der Universität Hamburg mit einer Abhandlung zu den Gedichten von Casimir Ulrich Boehlendorff (1775–1825), 2000 an der Universität Hamburg mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit über literarische Ästhetizität zum Dr. phil. promoviert (Quelle: Wikipedia). aus Lübeck neben Hansehoheit Olaf Scholz I. mit Gefolge nebeneinander zur Verkündung ihrer Koalitionsbotschaft schreiten, und ich denke: Wahrlich, das Mittelalter lebt.
zum Seitenanfang ! zu Impressionen

28.10.2021 Grüne Windspiele
Fläche von der Größe Nordrhein-Westfalens für Menschen unbewohnbar

Gut, nehmen wir mal an, der, die, das, diverse Gott der Grünseligen, den die Grünen anbeten, hat Recht. Wie sieht die Welt aus, und vor allem, wie leben und wirtschaften wir Menschen ohne Atomenergie, ohne Kohle, Gas, Öl? Wenn wir nur noch das verbrauchen, was der Planet uns natürlich nachwachsend abwirft.

Zwei Zahlen sind gesetzt: Von drei Mrd. Menschen im Jahr 1960 (Vereinte Nationen) ist die Weltbevölkerung, Stand heute, auf knapp 7,9 Mrd. Menschen angewachsen. Die Prognosen für die weitere Entwicklung bis 2100 schwanken zwischen einem Rückgang auf 6,8 Mrd. Menschen (Institute for Health Metrics and Evaluation) bis zu einem Anstieg auf schlimmstenfalls 12,7 Mrd. Menschen (Vereinte Nationen), wobei auch das IHME einen Anstieg auf 11,8 Mrd. Menschen nicht ausschließt. Langzeitvorhersagen unterliegen einer großen Bandbreite. Das statistische Mittel zwischen der niedrigsten und der höchsten Prognose liegt bei 9,8 Mrd. Menschen am Ende dieses Jahrhunderts.

Ameisen, Würmer oder Heuschrecken auf die Speisenkarte

Was eine Kreislaufwirtschaft, zumal unter den Bedingungen einer wachsenden Weltbevölkerung, bedeutet, erhellt ein Blick auf einige ausgewählte Aspekte.

Die Menschen vegetarisch oder vegan mit irgendwas (Brennnesseln, Algen) satt zu kriegen sollte vergleichsweise problemlos klappen. Bei Fleischkost wirds schon schwieriger, selbst wenn man Ameisen, Würmer oder Heuschrecken mit auf die Speisenkarte setzt. Von umherziehenden Schafherden mal abgesehen, dürfte jeder Bauer nur noch so viele Rinder und Schweine auf seinen Weiden oder im Stall stehen haben, wie er ohne Zukauf von Futtermittel versorgen kann.

Gattung Mensch bedingungslos unter Artenschutz

Bei der Fischerei das gleiche Bild. Keine Zuchtfarmen mehr, nur noch so viele Makrelen, Dorsche, Heringe in den Fangnetzen, wie in freien Gewässern nachwachsen. Geortet von Schiffen, die eine Strömung, der Wind oder Solarenergie dahin bringt, wo die Schwärme gerade rumschwimmen. Das Fleisch- und Fischangebot sinkt, Schweinshaxen und Rollmöpse, Rollbraten und Räucherlachs kosten mehr Geld. Weniger Massenstallvieh, Gülleausscheider, Krankheitskeimeträger, mehr Tierwohl, ökologisches Gleichgewicht, gutes Gewissen. Fragt sich nur, wie lange ein Gärtner dann noch brav zusieht, wie seine Herrschaften in Lammrücken und Tartar vom Heilbutt schwelgen, während ihm für seine Familie schon ein Kotelett zu teuer wäre?

Fraglich außerdem, kann ein ökologisches Gleichgewicht bei allem Umwelt-, Pflanzen-, Tier-, Natur- und Klimaschutz überhaupt jemals wieder gelingen, und welches Naturverständnis steckt dahinter, solange eine einzige Gattung, der Mensch, uneingeschränkt und bedingungslos unter Artenschutz gestellt wird, mit Pränatalmedizin und Geriatrie sogar noch unnatürlich künstlich gehätschelt? Das aber nur am Rande.

Neue berufliche Perspektiven

Gleichwohl, bei der Ernährung wäre eine Kreislaufwirtschaft vermutlich irgendwie hinzukriegen. Bei einigen Ge- und Verbrauchsgütern ebenfalls. Mit Holz, Leder, Wolle sowieso, aber auch Mäntel, Taschen, Teppiche aus Flachs, Hanf, Schilf, Kisten, Körbe, Matten, aus Stroh, Weiden oder Bambus, Fensterscheiben, Spiegel, Flaschen aus eingeschmolzenem Altglas, Autositze, Gartenmöbel, Plastikverkleidungen aus geschredderten Getränkeflaschen, alles schon jetzt auf dem Markt.

Beim Bauen und Wohnen setzt Nachhaltigkeit schon engere Grenzen. Folgt man den Geboten der Ökobibel weiter, dürften der Erde außer Kohle, Gas, Öl auch keine anderen Materialien oder Rohstoffe mehr entrissen werden. Der letzte Marmor-, Granit- oder Schieferblock wäre gesprengt, der letzte Sand aus dem Meer geschaufelt, der letzte Ziegelstein gebrannt. Holzbauten, lange als umweltverträglicher Ersatz gepriesen, scheiden ebenfalls aus. Zu lange Nachwachszyklen, zu wertvoll als Kohlendioxidspeicher. Das tote Bauholz gibt das klimaschädliche Gas in die Atmosphäre frei. Die allermeisten Baumaterialien für neue Häuser müssten aus dem Abriss bestehender Bauwerke hergestellt werden. Selbst wenn man Architektenspielereien mit Häusern aus Pappe und Papier weltweit eine große Zukunft einräumt, Abrissmaterial aufzubereiten böte neue berufliche Perspektiven. Immerhin. Ansatzweise wird das bereits erprobt.

Verluste bei der Wiedergewinnung

Ähnlich läuft es bei Maschinen, Fahrzeugen, Haushaltsgeräten aller Art. Wie bei den Baumaterialien bedeutet Kreislaufwirtschaft konsequenterweise auch hier: keine Erze mehr, keine Metalle, keine Salze, keine Mineralien, kein Nickel, kein Kupfer, kein Mangan, kein Bauxit zur Aluminiumherstellung, kein Silber, kein Gold, keine Seltenen Erden. Alles wächst nicht nach und stünde nachfolgenden Generationen nicht mehr zur Verfügung. Auch hier muss alles aus vorhandenen Maschinen und Geräten wiedergewonnen werden, auch hier treibt ein statisches Angebot bei steigender Nachfrage die Preise hoch.

Entweder ein neues Walzwerk wird aus zerlegten alten Walzwerken zusammengebaut, ein neues Auto aus zerlegten alten Autos, ein neuer Wäschetrockner aus zerlegten alten Wäschetrocknern. Oder alte Walzwerke, Autos, Wäschetrockner werden auseinandergebaut, nach Materialien getrennt, eingeschmolzen, um so Rohstoffe für neue Walzwerke, Autos, Wäschetrockner zu gewinnen. Wie bei Baustoffen bleibt die Menge der verfügbaren Rohstoffe konstant, beziehungsweise sie wird durch Verluste bei der Wiedergewinnung kleiner. Somit kann auch die Menge neuer Industrie- und Gebrauchsgüter in einer Wiederverwertungswirtschaft nicht wachsen, während der Bedarf in der Welt zunimmt. Folge, man ahnt es: abermals zwangsläufig steigende Preise.

Wie bei leerstehenden Mietshäusern in Stadtlagen

Steigende Preise erschüttern auch den Handel, neben der Produktion das zweite elementare Standbein aller bisherigen Volkswirtschaften. Wie die Produktion sorgt Handel auf Nachfrage für Nachschub. Kommt der nicht hinterher, werden Teile oder Materialien nicht in ausreichender Menge gefertigt und geliefert, geraten selbst große Wirtschaftsbereiche schnell in Bedrängnis, aktuell zu beobachten bei Speicherchips und Kunststoffen. Fabriken und Baustellen stehen monatelang still.

Weitere Risiken drohen. Was, wenn Händler ihre mangels Abbau nicht nachlieferbaren Rohstoffe und Metalle, ihre Mineralien, ihr Mangan, ihr Aluminium, ihr Kupfer, ihr Silber, ihr Gold, das sie besitzen, erst gar nicht mehr verkaufen, weil sie wissen, in einem Monat, in einem Jahr bekommen sie für ihr Zink, Mangan, Kupfer, Silber, Gold das Doppelte, das Dreifache? Produktion und Handel kämen weitgehend zum Erliegen. Die Auswirkungen lassen sich heute schon bei leerstehenden Mietshäusern in Stadtlagen beobachten, die gehortet werden, weil die Verkaufspreise schneller steigen als die Einnahmen aus einer zweckgerechten Nutzung.

Stagnation oder gar Schrumpfung

Eine stagnierende Güterproduktion und eingeschränkter Handel lenken den Blick auf die in diesen beiden Bereichen Beschäftigten. Ihre Zahl fällt. Bleibt zum Lohnerwerb noch die dritte Säule einer Volkswirtschaft, der Dienstleistungssektor. Wie hoch kann die Säule der Dienstleistungen die Säulen Produktion/Handwerk und Handel überragen, ohne dass die Öko-Ökonomie in sich zusammenkracht?

Zwei Einflüsse verändern die Dienstleistungssäule, um im Bild zu bleiben: Sie wächst, viele ehemals oder potenziell in Produktion/Handwerk und Handel Beschäftigte wechseln in ein Dienstleistungsunternehmen oder entscheiden sich von vorne herein für ein Erwerbsleben als Polizisten, Lehrer, Ärzte, Architekten, Rechtsanwälte, Hausverwalter, Fensterputzer. Gleichzeitig zerbröselt der Sockel, auf dem die Dienstleistungssäule steht. Viele, die in Produktion und Handel infolge Stagnation oder gar Schrumpfung nicht mehr gebraucht werden, können sich die meisten Dienstleistungen gar nicht mehr leisten. Weil sie einen anderen, nicht ihrer Ausbildung entsprechenden, oft geringer entlohnten Job machen müssen oder ganz ohne Arbeit dastehen. Sie entrichten auch weniger oder keine Steuern. So kann auch der Staat seine Professoren, Richter, Staatsanwälte, Standesbeamten nur schlechter oder gar nicht mehr bezahlen.

Grüne Glückseligkeit

Während die Zahl der Dienstleister also nach oben geht, schmilzt mangels eigener Kaufkraft der Kreis der Kunden, Käufer, Klienten, Leser, Zuschauer. Mehr Konkurrenz, jedenfalls im privaten Dienstleistungssektor, später vielleicht auch im öffentlichen, je nachdem, wie hoch die Verluste bei den Steuereinnahmen ausfallen, geringere Einkommen, teurere Autos, Fernseher, Wäschetrockner, die aus den wiederverwerteten Rohstoffen noch gebaut und gehandelt werden. Wohlstandseinbußen massenweise, zumindest materiell. Ob eine grüne Glückseligkeit der spirituell grün Erleuchteten als Ersatz reicht?

Das Ausmaß der Wohlstandseinbußen hängt von der Antwort auf die zentrale grüne Glaubensfrage ab, der vermutlich nur im Gebet Erleuchtung widerfährt: Lassen sich Polizeiposten, Universitäten, Schulen, Krankenhäuser, Altenheime genau so wie Brücken, Straßen, Abwasserkanäle oder gar bedingungslose Grundeinkommen in beliebiger Höhe für jedermann mit beliebig viel gedrucktem Geld bezahlen, oder müssen diese Ausgaben an anderer Stelle mit Wertschöpfung durch Industrie, Handwerk, Handel erwirtschaftet werden? Oder durch koloniale Ausplünderung, in der Vergangenheit auch eine ergiebige Einnahmequelle von Hegemonialmächten?

Historische Antwort der Hochkulturen

Die ehemalige DDR fällt als leuchtendes Vorbild durch. Die geringe Produktivität der Wertschöpfung bei der Güterproduktion konnte die staatlichen Ausgaben für Verwaltung, Sicherheit, Bildung, Gesundheit, Kultur nicht decken. Die DDR ging pleite. Und historisch ist die Antwort eben so klar: Alle Hochkulturen, Städte wie Staaten, blühten auf der Basis von Produktion (von der Antike bis zur Neuzeit Landwirtschaft und Handwerk, seit dem 19. Jahrhundert Industrie) und Handel. Oder auf der Basis von Unterdrückung und Ausbeutung. Wie Rom mit seinen Provinzen rund um das "mare nostrum" (Mittelmeer). Wie der Vatikanstaat als Zentrum riesiger, weltweit aufgehäufter Grundbesitz- und Kapitalvermögen bis heute.

Dienstleistungen wie Architektur, Medizin, Bildung, Literatur, Kunst, Kurbäder waren immer Früchte produktiver und kaufmännischer oder eben ausbeuterischer Wirtschaftskraft. In welchem Umfang eine Volkswirtschaft einen Dienstleistungssektor verkraftet bei stagnierender Wiederverwertungswirtschaft (ohne zusätzliche Rohstoffgewinnung!), schrumpfendem Handel und unter Verzicht auf Ausbeutung wirtschaftlich schwächerer Gesellschaften (sog. zweite, dritte Welt), niemand kann das vermutlich auch nur einigermaßen seriös abschätzen.

Druckerpressen der Zentralbanken

Rein vorsorglich lässt die Regierung schon seit langem reichlich Arbeitslosengeld, Wohngeld, Pendlergeld, Kindergeld, Krankengeld, Pflegegeld und demnächst noch Bürgergeld und Kindergrundsicherung vom dann grünen Himmel regnen. In dulci jubilo. Massive Zahlungsbilanzprobleme veranlassten Richard Milhouse Nixon bereits 1971, die Bindung des Werts aller in Umlauf befindlichen US-Dollar am Wert der staatlichen Goldvorräte in den Finanzwind zu schreiben. Andere Staaten zogen nach, und spätestens seit der Finanzkrise 2008 fluten die Zentralbanken aller Industrienationen die Welt mit Geld, bis die Druckerpressen quietschen, um das jetzt schon bestehende Missverhältnis zwischen eigener Produktion, Handel und schwindenden Hegemonialprofiten auf der einen Seite und dem anspruchsentgrenzten Dienstleistungssektor (Sicherheit, Bildung, Versorgung, Gesundheit, Wohlbefinden) auf der anderen Seite zu kompensieren.

Die Folgen dieser Geldmenge ohne Gegenwert sind schon heute sichtbar. Die Preise für Immobilien, wie die Rohstoffmenge in einer Wiederverwertungswirtschaft eine nicht vermehrbare "Ware", steigen in nie gekannte Höhen. Ebenso die Aktienkurse von Unternehmen, die außer markigen Sprüchen nur heiße Datenluft produzieren. Selbst Banken wollen mit Geld nichts mehr zu tun haben und stellen Kosten in Rechnung, wenn sie es aufbewahren.

Zauberformel grüner Strom

Stopp, rufen jetzt nicht nur grün Getaufte, Arbeitsplatz- und Wohlstandsverluste seien bei einer Transformation in ein neues grünes Wirtschaftswunderland nicht zu befürchten. Die Einschränkungen bei Ernährung mit Fleisch und Fisch seien weitgehend akzeptiert und förderten die Volksgesundheit. Ansonsten könne alles so weiterproduziert und -konsumiert werden wie bisher. Nur eben ohne das Verfeuern fossiler Brennstoffe wie Kohle, Öl, Gas und das damit entweichende klimaschädliche Kohlendioxid. Die Welt leide allein unter einer Klima- und Umweltkrise, so der Wirtschaftsphilosoph an der Universität Witten/Herdecke, Dr. Tobias Vogel, Rohstoffe seien in ausreichender Menge vorhanden. Die könne man auch weiterhin uneingeschränkt nutzen. Lediglich die Energie für Stahl, Aluminium, Zement, Wärme, Mobilität müsse CO2-frei klimaneutral erzeugt werden. Grüner Strom heiße die Zauberformel, aus Windkraft, Wasserkraft, Sonnenenergie.

Grüner Himmel auf Erden

Einfach nach den grünen Geboten den grünen Himmel auf Erden erleben. Oder dem Windmühlenwahnsinn verfallen, wie der Spiegel schon im März 2004 den Traum von einer umweltfreundlichen Energie an einer "hoch subventionierten Landschaftszerstörung" zerplatzen sah. Auf zwei Prozent aller Landflächen sollen die Windräder in Deutschland rotieren (Koalitionsvereinbarung der grün-gelb-roten Bundesregierung 2021). Wie jeder wissen und sehen kann, beeinträchtigen die bis zu 250 Meter hohen Anlagen (Kölner Dom: knapp 160 Meter) durch Schatten und Geräusche ein Vielfaches der Fläche, die sie rein baulich einnehmen. Allein bei einem wohlwollend kalkulierten Faktor fünf wäre bei gleichmäßiger Verteilung jeder zehnte Quadratkilometer in Deutschland für Menschen unbewohnbar. Das entspricht der Fläche Nordrhein-Westfalens. Die Flächen der Städte, Gewässer und windarmen Gegenden abgezogen, stünde in den als geeignet ausgewiesenen Flächen jeder fünfte oder sechste Quadratkilometer unter Windgewalt.

Noch Demokratie oder schon Diktatur?

Was das für die Bodenpreise in den von einer Windausbeutung verschonten Gebieten bedeutet, kann man sich leicht ausmalen. Auch, wer sich dann dort noch eine Bleibe mit kleinem Garten wird leisten können. Was auch gleich zu zwei weiteren grünen Schlüsselfragen führt. Liegen die Flächen, auf denen die Windmühlen stehen sollen, in staatlichem oder kommunalem Gebiet, gehören die Flächen also der Allgemeinheit, wer darf wann und wie entscheiden, falls eine Mehrheit der Bürger gegen das Aufstellen der Kolosse stimmt? Noch Demokratie oder schon Diktatur? Befinden sich die ausgewiesenen Flächen zur Windstromerzeugung in Privatbesitz, und lehnt der Besitzer den Bau der Windräder auf seinem Grundstück ab, verliert er sein Recht auf Eigentum? Wird er enteignet?

Strafen für Glaubensverweigerer

Bezahlen wollen die Windmühlenpriester für ihre Verheißungen nicht. Die Umweltteufel der bisherigen Luftverpestungswirtschaft sollen sich von ihren Umweltsünden freikaufen und das Windmühlenhochamt finanzieren. Das machen die gerne und fordern sogar mehr steuerliche Anreize, zum grünen Glauben zu konvertieren, und Strafen für Glaubensverweigerer. Wie die Banken sitzen sie auf milliardenhohen Geldbergen und wissen nicht mehr, was sie damit anfangen sollen. Endlich können sie wieder loslegen und sich im grünen Talar über satte grüne Gewinne freuen. Mit denen sie später, wenn die grüne Messe gesungen ist, wieder einer anderen Religion unter die Flügel greifen.

Nur, wer bezahlt die satten grünen Gewinne? Der Stromverbraucher? Alle Steuergebeutelten? Für seinen zweiteiligen Dokumentarfilm Das Blut der Welt zu den Themen fossile Energievorräte und Energiewende reiste der ehemalige Chefredakteur von Spiegel und Spiegel-TV Stefan Aust 2017 um die Welt von Feuerland bis Alaska und Sibirien. Aust recherierte auch auf der Bohrinsel Mittelplate in einem Naturschutzpark in der Elbemündung vor Friedrichskoog. Die Menge des dort pro Tag geförderten Öls passe in eine kleine Schulturnhalle.

Geschäftsmodell eines "gigantischen Abzockens von Subventionen"

Allein um die Energie dieser Fördermenge durch Windenergie zu ersetzen, wären nach Austs Erkundungen 4 000 Anlagen erforderlich. Das entspreche einem Siebtel der Energieleistung aller zum damaligen Zeitpunkt in Deutschland stehenden Windräder. "Die große grüne Fantasie der sauberen Energieversorgung", schreibt Aust in seiner Autobiografie Zeitreise rückschauend, "ist zum flächendeckenden Geschäftsmodell des gigantischen Abzockens von Subventionen geworden".

Vielleicht ist der, die, das, diverse grüne Gott aber auch ein Götze. Dem sich der abergläubige Mensch unterwirft, den er anbetet und dem er Opfer bringt, um die Eigenschaften, die er ihm zumisst, wieder auf sich zurückstrahlen zu lassen (Erich Fromm). Dann ist die grüne Seele erlöst und das reine grüne Gewissen von seiner grünen Mühsal befreit. Vater unser im Himmel, ..., führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von den Grünen.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

26./28.9.2021 Kühne grüne These
Machtverzückt und selbstverliebt "auf Klimakurs"

Zwei Tage nach der Wahl zur Zusammensetzung des 20. Deutschen Bundestags ist das Rennen um Machtposten bei den vier Parteien mit den höchsten Stimmenanteilen in vollem Gang. Der einen, der CDU/CSU, kann man schon beim Start vor Kopfschütteln kaum zusehen, so erbärmlich trotzig, wie sie losstolpert. Bei den verbleibenden dreien, SPD, Grüne und FDP, kann man sich nur verwundert die Augen reiben, was man da vom Start weg zu sehen und zu hören bekommt.

Laut vorläufigem amtlichem Endergebnis des Bundeswahlleiters vom Montag, 27.6.2021, 6 Uhr, haben 76,6 Prozent aller Wahlberechtigten tatsächlich gewählt. Daraus folgt, mit einem Stimmenanteil von 14,8 Prozent versammeln sich nicht einmal 6,9 Mio. von insgesamt 60,4 Mio. Wahlberechtigten oder gerade mal zehn Prozent hinter den Erlösungsversprechen grünreligiöser Apokalypsen. Daraus den Anspruch herzuleiten, "in einer Klimaregierung" (Annalena Baerbock) Deutschland außerhalb der großen Städte als wolkenkratzerhohes Windkraftwerk umzubauen und über 80 Mio. Deutsche in einen elektrifizierten Hühnerhof zu sperren, ist eine kühne grüne These.

Gegenthese: Machtverzückt und selbstverliebt, wie sie sind, auch die anderen beiden Koalitionäre, FDP und SPD, feiern das Ökohochamt mit und jauchzen "dieses Land auf Klimakurs" (Jürgen Trittin). Was 85 Prozent der Wähler davon halten, die den grünen Klimagott nicht anbeten, bleibt abzuwarten. In fast allen ostdeutschen Bundesländern ist die AfD auf Bundestagsebene 2021 zweitstärkste oder gar stärkste Kraft. In vier Jahren reiben sich die Kandidaten der AfD dann auch in den westdeutschen Bundesländern schon vor der nächsten Bundestagswahl die Hände.

Bleibt noch die Frage, was sagen eigentlich Fridays-for-Future-Nymphen wie Luisa Neubauer oder Carla Reemtsma zur Unter-15-Prozent-Liturgie ihrer grünen Litanei an der Wahlurne? Immerhin, mit einem Scholzomaten als Bundeskanzler dürften Anschläge grüner Fanatiker gegen Rotgelbgrün weniger radikal ablaufen als gegen Schwarzgelbgrün mit einer Laschet-CDU an der Spitze. Liebe Autofahrer, Sie können Ihre Verbrenner wahrscheinlich vorerst noch sorglos an der Straße parken.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

Sep. 2017 Ehrlichkeit kostet
Bundestagswahl 2017: plakatiertes Programmversagen

Hochbezahlt sollen sie sein, die Werbeagenturen, die einen Wahlkampf plakativ inszenieren. Kopf von Merkel (CDU) und Schulz (SPD), Name drunter, fertig. Wohlstand, Nachhaltigkeit, Energiewende, Mobilität in den Städten, Mietpreise, Renten, Patientenversorgung - leckt mich! So die Botschaft der Kandidaten an ihr Wählervolk. Wir pfeifen auf ein politisches Programm, wir pfeifen auf euch. Wir stellen uns zur Wahl, das soll ja wohl reichen. So viel plakatierte Ehrlichkeit kostet natürlich.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen



Foto: M. Großmann /
PIXELIO
CDU und SPD feiern Wahlsiege - der anderen Parteien
Eigenanspruch der Bundesregierer unter Ramschniveau

Die Bundesregierungs-CDU in Person von Armin Laschet, Vorsitzender der NRW-CDU und stellvertretender Bundesvorsitzender, feiert nach den Landtagswahlen am 13. März öffentlich (Aktuelle Stunde, WDR, 14.3.2016) die Wahlsiege einer Spitzenkandidatin der SPD, Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz, und eines Spitzenkadidaten der Grünen, Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Als Bestätigung der Berliner CDU-gekanzlerten Regierungspolitik.

Der SPD-Vorsitzende und Bundeswirtschaftsminister "Siechmar" (Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig) Gabriel sieht bei Wahlergebnissen von 12,7 Prozent in Baden-Württemberg und 10,6 Prozent in Sachsen-Anhalt seine Sozialdemokraten als Volkspartei bestätigt. Mit der zweitkleinsten Fraktion in den jeweiligen Landtagen.

Das Eigenanspruchsniveau der Bundesregierer ist unter Ramsch gefallen.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen



Foto:
Timo Klostermeier /
PIXELIO
Angst vor den Geflüchteten
Wer die westliche Kultur wirklich gefährdet

von Walter Budziak

Die "Flüchtlingswelle" bedrohe „unsere“ westliche, europäische, zivilisierte Kultur, „unseren“ Wohlstand und „unsere“ Demokratie, und man müsse sie eindämmen, heißt es, offen oder versteckt, in vielen Reden und öffentlichen Stellungnahmen. Auch aus vermeintlich redlicher, fürsorglicher Ecke. Allen voran von Politikerinnen und Politikern, die ihren Mundgestank gern nach dem Umfragewind richten, der ihnen entgegenbläst.

„Unsere“ westliche, europäische, zivilisierte Kultur, „unsere“ Demokratie und „unser“ Wohlstand wurden längst angegriffen, ausgehölt, verraten von viel terroristischeren Kräften als diesen versprengten hirnlosen Islamisten, Salafisten, Dschihadisten. Angegriffen, ausgehölt, verraten wurden „unsere“ westlichen, europäischen, zivilisierten Werte wie Verfassung, Rechtsstaatlichkeit, Solidarität, Gemeinwohl von profit- und machtgeilen Konzernen und bonisüchtigen Banken. Und von willfährigen, korrupten Politikern auf ihrer beruflichen Laufbahn in die Vorstandsetagen und Aufsichtsgremien eben dieser Schattenmächte.

Gestern noch heißblütig die unrechtsstaatlich betriebene "Verrechtlichung des Unrechts" (Otto Schily, Dortmund 1975) angeklagt, kaum Bundesinnenminister werden bis dahin unrechtmäßige polizeiliche, justiziale Befugnisse wie Rasterfahndung, Vorratsdatenspeicherung, biometrische Ausweispflicht, Isolationshaft durchgeboxt bzw. verbissen eingefordert. Gestern noch die Rechte der Arbeitnehmer als höchstes Gut einer Tarifautonomie gepriesen, kaum Arbeitsministerin wird kleineren Gewerkschaften im "Tarifeinheitsgesetz" das Streikrecht beschnitten. Gestern dem politischen Gegner wegen der Waffenexporte noch schäumend Mitschuld an den Kriegen im Nahen Osten vorgeworfen, kaum Koalitionspartner und Wirtschaftsminister wird die Lieferung weiterer Hightech-Panzer an Saudi Arabien, einen der hinterhältigsten Kriegstreiber, munter durchgewunken. Gestern noch die flächendeckende medizinische Versorgung als ein Grundrecht eingeklagt, kaum Gesundheitsminister werden zum Profitwohl einzelner Konzerne Fallpauschalen eingeführt, werden reihenweise bis dahin städtische oder landeseigene, also öffentliche Krankenhäuser und Unikliniken dem privaten Kapitalmarkt anheimgestellt, dürfen Pharmakonzerne für Medikamente ohne nennenswerten Nutzennachweis horrende Summen einstreichen und die öffentlichen Gesundheitskassen plündern.

Lügen, Betrügen, Tricksen - Guttenberg, Schavan, Hoeneß sind die prominentesten Beispiele der letzten Jahre. Und jetzt die SPD-Bundestagsabgeordnete Petra Hinz, die sich mit einem gefälschten Lebenslauf über ein Jahrzehnt einen Platz am Diätentrog erschlich und vermutlich mit einer üppigen Abgeordnetenpension bis zu ihrem Lebensende dafür belohnt wird ("So sichern sich Betrüger lukrative Jobs", Die Welt, 22.7.2016). Sie alle reißen als kriminelle Parasiten eine im Kern friedliche, rechtschaffene, gütliche Kulturgesellschaft in die Wertelosigkeit, in die Beliebigkeit, in die moralische Barbarei.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen



Der Kandidat im Mai
vor dem Wittener
Rathaus mit den zur
Anerkennung der
Kandidatur erforder-
lichen Unterschriften
von mindestens 360 Unterstützern.
Foto: Rolf Berker
Bürgermeisterwahl: parteilose Kandidatur in einer parteidurchfilzten Stadt
Protokoll eines Selbstversuchs

von Walter Budziak

Den aktuellen Stadtrat beherrscht absolutistisch seit fast 70 Jahren nahtlos die SPD, seit der letzten Kommunalwahl 2014 zahnlos toleriert von der zweitstärksten Fraktion, die der CDU. Die übrigen Fraktionen wie die der Grünen, der Linken, der Piraten oder sonstiger Ansammlungen politischer Schattengewächse nehmen allenfalls einen nominalen oppositionellen Rang ein.

Amtlich zur Bürgermeisterwahl am 13. Sept. 2015 in Witten zugelassen sind fünf Kandidaten/Kandidatinnen: die amtierende Bürgermeisterin Sonja Leidemann, SPD-Mitgliedschaft aber ohne SPD-Mandat, Herausforderer Frank Schweppe, SPD- und CDU-gekürt und amtierender Erster Beigeordneter der Stadt, Stefan Borggraefe, Piraten, sowie Ursula Weiß, Die Linke, und spontan und parteilos der Autor.

Eine historische und politische Einordnung einer Bürgermeisterwahl in einer NRW-Kommune wie Witten zum offiziellen mutmaßlichen Wahlkampfstart am 2. August lieferte Prof. Dr. Heinrich Schoppmeyer in einem Gastbeitrag der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ).

Keine Dramaturgie eines Wahlkampftheaters hätte ein monumentaleres konterkarierenderes Bühnenereignis effektvoller inszenieren können, in diesem WAZ-Artikel veröffentlicht am 4. August 2015 um 19.29 Uhr (!). Der parteilose Kandidat blieb ungefragt. Und begann ein chronologisches Protokoll.

E-Mail an die Leitung des Wahlbüros Witten am 4. Aug. 2015, 13.59 Uhr:

"Sehr geehrter Herr Muhr,

dem Vernehmen nach wurden die anderen vier Kandidaten zur Bürgermeisterwahl am 13. Sept. seitens des Ordnungsamts über Modalitäten und Fristen ihrer Wahlkampfeinsätze (z. B. Plakatierung, Infostände) informiert. Ich habe eine derartige Mitteilung nicht erhalten und sehe mich entsprechend benachteiligt.

Desweiteren hat die Wittener SPD schon im Vorfeld des Wahlkampfs wahlvorbereitende Plakatierungen ("Schöne Ferien") mit Billigung des Ordnungsamts vornehmen dürfen, was als unzulässige Bevorzugung ausgelegt werden kann. Schließlich hat die Kandidatin Leidemann, wie Zeugen berichten, bereits vor Beginn einer offiziellen Plakatierungsfrist großflächig Wahlplakate (z. B. Ardey, Schnee) aufstellen bzw. anbringen lassen.

Alles zusammengenommen wirft die Frage auf, ob das künftige Wahlergebnis nicht schon vorab aus formalen Gründen angefochten werden kann.

Mit freundlichen Grüßen

Walter Budziak"

Antwort Michael Muhr per E-Mail am 4. Aug. 2015, 15.56 Uhr:

"Sehr geehrter Herr Budziak,

ich kann Ihnen zu den Ihnen vorliegenden Informationen und Quellen leider keinerlei Aussagen machen, für Sondernutzungstatbestände betreffend Plakatierungen von und Informationsstände auf öffentlichen Flächen und die Gestattungsformalitäten kann Ihnen allein das Ordnungsamt der Stadt Witten rechtliche verbindliche Auskünfte geben. Ich kann Ihnen keinerlei Aussagen dazu machen, ob, von wem und an wen pauschale Informationen der von Ihnen vorgetragenen Art gegeben wurden. Allein kann ich feststellen, dass hierzu erforderliche Adressinformationen von mir zu keiner Zeit weitergegeben wurden, ich allein einzelfallbezogen bestätigt habe, dass es sich bei anfragenden Gruppierungen bzw. Einzelpersonen und Wahlbewerber handelt bzw. nicht handelt.

Ihre abschließende Mutmaßung, ob ein wie auch immer geartetes Fehlverhalten der Stadt Witten, welches bislang in keinerlei Hinsicht bestätigt werden kann, wahlentscheidende Auswirkungen haben kann, werde ich aus den genannten Gründen derzeit nicht kommentieren.

Mit freundlichen Grüßen

I. A.
Michael Muhr"

Angst geht um in einer Stadt, die seit fast sieben Jahrzehnten von einer rotgefärbten Parteiclique in Schach gehalten wird. Mit der Folge: Nicht nur die städtischen Ämter, Gremien und Einrichtungen sind bis in die Kapillaren infiltriert, auch in ihrem Ziel und Zweck nach parteiunabhängigen Institutionen wie der Universität Witten/Herdecke sitzt die Stadt mit an den Schaltstellen, mitunter in amtlicher Doppelfunktion.

Dieses System schafft Abhängigkeiten, puffert Kritik und Wünsche nach einem politischen Wechsel ab, verbreitet Angst, sich offen zu einer anderen politischen Richtung oder politischen Alternativen zu bekennen. Selbst ganz am Rand stadtpolitischer Einflusszonen agierende Menschen, Einzelhändler, bewusst projektbezogene parteiunabhängige Initiativen scheuen eine Zusammenarbeit, sobald sie auch nur den Hauch einer Konfrontation mit der Stadtverwaltung und der Ratsmehrheit wittern. Kooperationen, wenngleich der Sache nach für gut befunden, werden von vorne herein abgelehnt, Zusagen werden zurückgezogen.

Beispielhaft ist diese E-Mail vom 12. Aug., deren Absender hier namentlich nicht genannt werden soll. Hintergrund war eine Anfrage, ob bei einer von meiner BM-Kandidatur nicht beeinflussten geplanten Veranstaltungsreihe zu kommunalen Themen ein Fachreferent zur Verfügung stünde.

"Hallo Herr Budziak,

(...) Soeben habe ich mit unserem Vorstandsvorsitzenden der (...) über das Referententhema gesprochen. Sicherlich gibt es mehrere geeignete Kandidaten bei uns, die etwas zum Thema Energie beitragen können. Er befürwortet aber die Einhaltung strikter Neutralität gegenüber den Kandidaten. Ein Auftritt als (...)-Repräsentant ist grundsätzlich nicht möglich. Aber auch bei privatem Einsatz kann es zu Irritationen kommen. Die Grenzen sind fließend, wenn z. B. später im Namen der (...) Gespräche mit dem Wittener Baudezernat, bzw. den Stadtwerken, geführt werden sollen. Es tut mir sehr leid, aber ich habe bei meinem Unterstützungsangebot wohl nicht bis zu Ende gedacht. Dies ist mir erst bei den Kontakten seit Montag klar geworden. (...)

Herzliche Grüße"

Schlüpfrig hatten die Wittener Grünen bekanntgegeben, die kandidierende und noch amtierende Bürgermeisterin Sonja Leidemann wahlkämpferisch zu unterstützen (WAZ vom 23.6.). Nicht der erste Schoß, auf dem sich die Grünen auch in Witten ihre Hintern warmsitzen.

"Wahlprüfsteine" heißt die Vorwahlserie der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ), der einzigen Tageszeitung in Witten mit Lokalredaktion vor Ort. Nach dem Thema "Gewerbegebiete" war das Thema "städtischer Haushalt/Raus aus den Schulden" an der Reihe. Mit maximal 1400 Anschlägen oder 40 Zeilen a 35 Anschlägen sollen die Kandidaten ihre Standpunkte erläutern. Was erst einmal ausgewogen daherkommt, in der dann aus den eingereichten Antworten destillierten Berichterstattung kann von Ausgewogenheit keine Rede mehr sein.

Statt der eingeräumten 40 Zeilen durfte sich der gemeinsame SPD/CDU-Kandidat Frank Schweppe auf satten 56 Zeilen ausbreiten, der noch amtierenden und wieder kandidierenden Bürgermeisterin Sonja Leidemann wurden immerhin noch 42 Zeilen freigeräumt, die beiden anderen Parteigesannten Stefan Borggraefe (Piraten) und Ursula Weiß (Die Linke) kamen noch auf je 23 Zeilen zu Wort. Und der parteilos kandidierende Autor? Ganze 19 Zeilen hatte die Ruhrgebietszeitung ("Unabhängig - Überparteilich") an ausgewogener Berichterstattung noch für ihn übrig.

1361 Anschläge maß die am 24. August per Mail eingereichte Antwort, die davon gedruckt veröffentlichten Passagen sind fett kenntlich gemacht:

"Nur mit neuem parteiunabhängigem Personal an der Spitze, nämlich mit mir, kann eine Trendwende bei der desolaten Finanzlage gelingen. Keinesfalls dürfen die mit dieser schwierigen Aufgabe betraut werden, die seit vielen Jahren zum Entstehen dieser vor allem für die Bürgerinnen und Bürger misslichen Lage beigetragen haben. Deshalb muss die Finanzlage auch restlos offengelegt werden, und zwar in für alle Bürgerinnen und Bürger verständlicher Form. Anschließend müssen Bürgerkonferenzen organisiert werden, eine große für die Stadt, aber auch kleinere stadtteilbezogen, um gemeinsam mit der Bürgerschaft alle Potenziale auszuloten, die einerseits vertretbare und verkraftbare Einsparungen bewirken, die andererseits zusätzliche Einnahmen bringen. Dazu gehört aus meiner Sicht, die Attraktivität der Innenstadt (Kornmarkt, Verkehrsberuhigung Teile der Haupt-, Ruhr- und unteren Johannisstr.) sofort und konsequent zu steigern und Initiativen wie "Buy Lokal" zu stärken. Dazu gehört weiterhin Zuzug, Zuzug, Zuzug, von jungen Familien, Studenten, Facharbeitern, Senioren und von Unternehmen. Das Erhöhen von Steuern und Abgaben ist hier das völlig falsche Signal. Denkbar sind stattdessen, eingebettet in ein Gesamtkonzept der Stadtentwicklung, das Bereitstellen bedarfsgerechter Wohn- und Lebensquartiere, die genossenschaftlich gewinnbringend finanziert werden."

zum Seitenanfang ! zu Impressionen



KOMMENTARE DES KANDIDATEN

Die Spannung steigt (23.6.)
Mit leidemännischer Miene (27.4.)
Grüße vom Osterhasen (17.3.)
Lahmes Gespann (22.2.)
Falsche Signale (18.2.)
Augenhöhe gefragt (18.2.)



Die Spannung steigt

So haben sich die Erfinder demokratisch organisierter Gemeinwesen das vorgestellt: Mehrere Parteien nominieren ihre besten Köpfe, die stellen sich zur Wahl, streiten um die besten Ideen und Konzepte, stehen dafür, dass ihre Ideen und Konzepte auch umgesetzt werden, sollten sie die Wahl gewinnen und Verantwortung übernehmen.

So weit die reine demokratische Lehre. Von der politischen Klasse in Witten längst eingestampft. In Witten pflegt die politische Klasse längst Formen einer postdemokratischen Oligarchie. Erhaben über so niedere Wesensmarotten wie politische Grundsätze, Verlässlichkeit, Streitbereitschaft um den besten Weg, um das beste Ergebnis.

Über Witten schwebt längst ein Ausdunst sozialdemokratisch getarnter Funktionäre, der alle Kontroversen und Differenzen zwischen konkurrierenden Erkenntnissen, Wahrnehmungen, Konzepten, Zielen innerhalb einer Stadt vernebelt, neutralisiert, narkotisiert. Ein Ausdunst, der alle berauscht. Die Ratssitzer auf den schwarzen Bänken ebenso wie die Ratssitzer auf den grünen Bänken, alle reden nur noch konformes Zeug. Konformität als Ersatz für Ideen, Kreativität, Mut und Entschlossenheit.

Bedenken, Widerspruch, Opposition, Alternativ-Vorschläge gar sind des Teufels. Trotzdem, nach der SPD nominiert auch die CDU einen SPD-Vizeverwaltungschef als ihren offiziellen Kandidaten, die amtierende Verwaltungschefin ohne SPD-Segen wird von den Grünen offiziell unterstützt. Die Spannung vor der Bürgermeisterwahl steigt. Wer kriecht wem als nächster zur Läuterung seines eventuell noch vorhandenen eigenen politischen Restprofils in den Verdauungstrakt? Und mit welcher hohlen Begründung?



Mit leidemännischer Miene

Ihren Kandidatenhut aus dem Amt heraus in den Bürgermeisterwahlring werfen, mit leidemännischer Miene, aber erhobenen Hauptes ihren Rausschmiss aus der SPD ertragen und in der nächsten Instanz tapfer dagegen ankämpfen, die List der amtierenden Bürgermeisterin Sonja Leidemann gegen ihren Ersten Beigeordneten und Kontrahenten, Frank Schweppe (SPD), im Wettlauf um das Bürgermeisteramt könnte aufgehen. Die Schlagzeilen der Medien versprechen ihr Vorsprung, prompt werden Gerüchte gestreut, die eine Befangenheit der SPD-Schiedskommission unterstellen, die Mitleidswelle kübelweiser Leserkommentare kühlt die Tränen einer schmählich verkannten Größe der Wittener Rathausgeschichte.

Fehlt nur noch, dass diese Welle des Mitleids auch den riesigen Berg öffentlicher Schulden und die gähnende gestalterische Leere von mehr als zehn langen Amtsjahren einfach so mit wegspült. Und bis zur Wahl im September in die Tiefen wahlbürgerlicher Vergesslichkeit taucht. Dann mit noch höheren Steuern und Abgaben und noch geringeren städtischen Leistungen und Angeboten schwungvoll in weitere fünf Jahre Verwaltungsfilz und urbane Tristesse. Dann gnade Witten Leidemann.



Grüße vom Osterhasen

Da kann einem das Lachen schon vergehen. Er werde den Brunnen nicht vergiften, wird Frank Schweppe in der digitalen WAZ von gestern indirekt zitiert. „Wir haben uns und den Mitarbeitern versprochen, einen professionellen Job zu machen“, so der Erste Beigeordnete weiter, der mit der amtierenden Bürgermeisterin Sonja Leidemann mindestens noch bis zur Wahl am 13. September zusammenarbeiten muss.

Ausgerechnet der SPD-Ortsverein, aus dem der 56-jährige offizielle Bürgermeisterkandidat der Wittener Genossen kommt, hatte vorab den Ausschluss seiner Kontrahentin aus der SPD beantragt. Grund: parteischädigendes Verhalten. Der Noch-Genossin wird vorgeworfen, dass ihre konkurrierende Bewerbung gegen den ausdrücklichen Willen der SPD-Gremien erfolgt sei. Ihre eigenmächtige Kandidatur gegen Schweppe sei mit ihrem Verbleib in der Partei nicht vereinbar, so ein weiteres Zitat aus dem Antrag der Hevener SPD.

Entschlossen hatte sich Leidemann, ohne den Segen der Sozen zu kandidieren, nachdem erkennbar geworden war, dass viele Parteifunktionäre sie nicht weiter unterstützen würden. Und wer war eifrig in die Bresche geprescht? Ihr Vize und Erster Beigeordneter Frank Schweppe, angeblich entgegen früherer Beteuerungen.

Der Streit zwischen den Frontfiguren der Wittener Politik und Verwaltung eskaliert zur Groteske. Wer vor dieser Kulisse noch an eine konstruktive, gedeihliche Zusammenarbeit glaubt, den grüßen auch die Osterhasen. Wittener Intrigantenstadl, der es mit jeder anderen Schmierenposse aufnehmen kann. Höchste Zeit, dieses Parteistreu aus dem Rathaus zu fegen.



Lahmes Gespann

Sehen so zugkräftige Gespanne aus? Die eine Stadt verantwortungsbewusst aus dem finanziellen Dreck ziehen und nach vorne bringen? Nachdem die amtierende Bürgermeisterin Sonja Leidemann (SPD) nun bekanntgegeben hat, sie sei aus der SPD-internen Kandidatenkür ausgestiegen, die ihr vermutlich wie eine Rosskur vorgekommen war, und werde sich am 13. September auf eigene Kappe um die Wiederwahl bewerben, liegt eine Erkenntnis klar auf der Hand: Größer kann ein Zerwürfnis zwischen zwei hochrangigen Amtsträgern kaum sein, die Bürgermeisterin auf der einen Seite, ihr Erster Beigeordneter Frank Schweppe (SPD), designierter Gegenkandidat der Wittener Genossen, auf der anderen Seite. Über die Ausgewogenheit und Besonnenheit der Entscheidungen und Maßnahmen, die beide zu verantworten haben, kann nur spekuliert werden. Und nichts Gutes vermutet.

Ein bezeichnendes Licht wirft dieses Kandidatengezerre auch auf die innere Befindlichkeit einer bisher tragenden politischen Kraft in Witten. Man darf sich gar nicht vorstellen, wie viel Zeit und Energie ein solcher Machtpoker auf den obersten Ebenen von Partei, Rat und Verwaltung sinnlos vernichtet. Auf Kosten und zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger. Wie in diesem Arbeits-Smog die Entscheidung und der Beschluss gefällt wurden, die Grundbesitzabgaben (Grundsteuer B) auf einen bundesweiten Spitzenwert bis 910 Prozent des Messbetrags ab 2016 zu erhöhen, Bürgerinnen und Bürger, Wählerinnen und Wähler werden sich ihren Reim machen.



Falsche Signale

Höhere Preise generieren Einnahmen. Einnahmen verursachen an anderer Stelle aber auch Ausgaben, dies zu beherzigen und in Balance zu bringen ist die hohe Kunst des Wirtschaftens. Die nur wenige beherrschen. Leider.

Mit seinem Beschluss, die Grundbesitzabgaben (Grundsteuer B) ab 2016 bis auf 910 Prozent des Hebesatzes zu erhöhen, setzt der Stadtrat die völlig falschen Signale. Die Stadt gilt als Schrumpfkommune, bereits 2020 werden weniger als 95 000 Einwohner in Witten leben, von einstmals 106 000, prophezeit die Statistik. Bedeutet, die Nachfrage nach Wohnraum und damit nach Grundfläche wird sinken. Eigentlich ein Signal, Preise zu senken. Um Anreize zu schaffen, vielleicht doch in Witten zu bleiben oder sogar nach Witten zu kommen.

Daran haben die Stadtoberen aber kein Interesse. Sie pfeifen auf strukturelles Anpacken und ökonomische Vernunft, sie erhöhen die Preise, schlechten Beispielen wie etwa Bochum einfach hinterher.

Mit der Folge: Immer weniger Eigenheimbesitzer und Mieter können sich das teurere Wittener Pflaster noch leisten, noch mehr Menschen werden noch schneller abwandern, die Wirtschaftskraft der Kommune wird weiter sinken, bis die Stadtmütter und -väter auf leere Häuser und Straßen blicken. Armes Witten! Nicht wegen der chronisch klammen Stadtkassen. Wegen der Einfallslosigkeit und Dummheit der Verantwortlichen.

Kapitulation der Vernunft auf der ganzen Linie, Kapitulation der Kreativität, der Weitsicht. Weiter wachsende Schulden trotz höherer Einnahmen. Weil die an anderer Stelle höhere Ausgaben nach sich ziehen. Beim Wohngeld etwa. Eine Grundbesitzangabe wird von Vermietern auf die Mietnebenkosten umgelegt. Mit den Grundbesitzabgaben steigen somit auch die Mietnebenkosten, die gestiegenen Mietnebenkosten belasten die Stadt bei ihren Wohngeldzahlungen. Was sie also von den Eigentümern einsammelt, muss sie zumindest teilweise an wohngeldberechtigte Mieter wieder auskehren. Dazu der bürokratische Aufwand, weniger Kaufkraft und damit weniger Konsum bei den Eigentümern, will sagen, geringere Gewerbesteuereinnahmen, das Ganze bei schlechteren und teureren Leistungen (Schwimmbäder, Büchereien etc.), und fertig ist ein weiterer Nagel im Sarg, in dem die Zukunft des Gemeinwesens versenkt werden wird.

In ihrer Stellungnahme zu den Bürgerbeschwerden gegen den Ratsbeschluss verweist Bürgermeisterin Sonja Leidemann sinngemäß auf die Ratsentscheidung, die nun mal umgesetzt werden müsse, und auf die Kassenlage, die keine andere Wahl lasse. Als gäbe es keine Alternative und kein Morgen.

Ein Großteil derer, die zahlen müssen, sind Bewohner, die weitsichtig gelebt und gewirtschaftet haben, die sich etwas aufgebaut haben. Eigentlich eine Bevölkerungsschicht, die als Fundament einer Kommune gesehen werden sollte. Wahrscheinlich die letzte, die man noch schröpfen kann. Die hängen an ihren vier Wänden, die können nicht so einfach weg. Die Stadt sägt an den Ästen, auf denen sie sitzt.

Vielleicht steckt aber doch ein raffinierter Plan hinter der Strategie. Hohe Grundbesitzabgaben gleich attraktiver Standort gleich Marktvorteil im Städtewettbewerb. Es war schon immer etwas teurer, in einer tollen Stadt zu wohnen. Nur, welche tolle Stadt nochmal?



Augenhöhe gefragt

Wenn Flächen "entwickelt" werden sollen, kommen handfeste Interessen auf den Plan. So auch bei der beabsichtigten Gewerbeflächenentwicklung in Witten, maßgeblich in Stockum und Heven. Gleiches gilt beim Masterplan Einzelhandel, der vorsieht, den Edeka-Markt in Herbede aus der zentralen Meesmannstraße in das Gerberviertel zu verlagern.

Wie viele Fehlentscheidungen, teils von immer denselben Befürwortern, noch notwendig sein werden, bevor ein Umdenken und -handeln einsetzt, steht vermutlich in den Sternen. Klar ist, schon jetzt steht die Stadt vor den Ruinen ihrer verbauten Pläne. Ein Gang in die untere Bahnhofstraße und durch die Novum-Passage reicht, um zu erkennen, welcher Mist gebaut wurde.

Von dieser städtebaulichen Tristesse einmal abgesehen, Politik und Verwaltung haben sich mit ihren Einzelhandelskonzepten, speziell was die sogenannten Nahrungsmittel-Vollsortimenter angeht, selbst und freiwillig in die Enge getrieben bis hin zur offenen Erpressbarkeit. Ein bestes Beispiel liefern die abgegebenen Gebote für den Erwerb der ehemaligen Gerberschule in Herbede, die weit unter den festgelegten Mindestgeboten lagen, wie die WAZ am 15. Februar 2013 meldete. Einer von vielen Anlässen zuviel, dieser Ohnmacht ein Ende zu setzen und künftig mit allen, die mit der Stadt zusammen arbeiten und gewinnen wollen, auf Augenhöhe zu verhandeln.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen


PRESSESTIMMEN



Witten Aktuell, 14.9.2015
Bürgermeisterwahl: Witten muss nochmal 'ran

Witten hat gewählt – und darf in zwei Wochen gleich wieder zu den Wahlurnen strömen. Wobei strömen, ja, das wäre schön gewesen. Doch eine Wahlbeteiligung von knapp über 40 Prozent lässt bei den Wittenern eher auf Wahlmüdigkeit oder vielleicht sogar Desinteresse schließen. Mehr ...

WAZ, 14.9.2015
Leidemann und Schweppe müssen in die Stichwahl

Die Wittener Bürgermeister-Wahl geht am 27. September in die Stichwahl zwischen Amtsinhaberin Sonja Leidemann und Herausforderer Frank Schweppe. Mehr ... Und Bilder vom Wahlabend im Rathaus.

WAZ, 11.9.2015
Bürgermeisterwahl in Witten - die Kandidaten

Der Kampf um den Chefsessel im Wittener Rathaus geht in die heiße Phase. Am Sonntag wird gewählt - die wichtigsten Standpunkte der Kandidaten. Fünf Kandidaten streben das Bürgermeister-Amt in Witten an. Mehr ...

WAZ, 8.9.2015
Was kostet Wahlkampf in Witten - und wer bezahlt?

Butter bei die Fische: Wer bezahlt Ihren Bürgermeisterwahlkampf? Die Lokalredaktion fragte die fünf Bewerberinnen und Bewerber und ihre Parteien nach der Höhe ihres Wahlkampfbudgets, nach den Hauptposten und wer dafür aufkommt. Mehr ...

WAZ, 3.9.2015
Wahlforum der Wittener WAZ lockt fast 200 Besucher

Kein Stuhl blieb frei, als die fünf Bürgermeisterkandidaten beim WAZ-Wahlforum Rede und Antwort standen. (...) Der erhoffte große Schlagabtausch wurde es nicht, dafür waren sich die Top-Kandidaten für die Bürgermeisterwahl, Amtsinhaberin Sonja Leidemann (55, unabhängig) und ihr Erster Beigeordneter Frank Schweppe (57, SPD/CDU), zu oft einig. Dennoch geriet das WAZ-Wahlforum mit ihnen und Ulla Weiß (55, Linke), Stefan Borggraefe (39, Piraten) sowie Walter Budziak (63, unabhängig) am Mittwochabend (...) in der Johannisgemeinde vor knapp 200 Besuchern zu einer munteren und informativen Gesprächsrunde. Mehr ... Und Bilder vom Wahlforum im Johanniszentrum.

WAZ, 2.9.2015
Erstwähler sind genauso wahlmüde wie die Älteren

Wer Wittens neuer Bürgermeister wird, das können am 13. September auch 16- oder 17-Jährige mitentscheiden: Seit 1999 sind sie in NRW bei Kommunalwahlen stimmberechtigt. Mehr ...

WAZ, 31.8.2015
Bürgermeisterwahl: Thema Schullandschaft spaltet

Bürgermeisterin will Hardensteinschule am Standort erhalten. Für Schuldezernenten ist Umzug „eins von sechs Szenarien“ – entscheiden soll der Rat. Die Zukunft der Hardenstein-Gesamtschule wurde heiß diskutiert. Mehr ...

WAZ, 31.8.2015
Wittener Bürgerforum verrät Persönliches der Kandidaten

Wer neben politischen Aussagen etwas Persönliches von den Bürgermeisterkandidaten erfahren will, sollte sich die Plakate des Bürgerforums ansehen. Mehr ...

WAZ, 28.8.2015
Vor der Wahl: "Witten ist auf Hilfe von außen angewiesen"

Ausgleich des städtischen Haushalts sei aus eigener Kraft nicht zu schaffen, stimmen die Bürgermeisterkandidaten Schweppe und Leidemann überein. Mehr ...

WAZ, 26.8.2015
Bürgermeisterkandidaten diskutieren im Zehn-Minuten-Takt

Der DGB lud zum Speed-Dating mit den Bürgermeisterkandidaten ins Gewerkschaftshaus. Die Besucher konnten alle fünf hautnah kennen lernen. Mehr ...

WAZ, 20.8.2015
Gewerbegebiete: Leidemann und Schweppe wollen sich nicht festlegen

Bei der Frage, ob interkommunale Gewerbegebiete in Stockum und Heven entstehen sollen, halten sich Leidemann und Schweppe alle Möglichkeiten offen. Die Einrichtung interkommunaler Gewerbegebiete in Heven und in Stockum ist ein Streitthema. Mehr ...

WAZ, 10.8.2015
Parteiloser macht Wahlkampf mit T-Shirts für den guten Zweck

An Info-Ständen wird man Walter Budziak eher selten antreffen. Er will lieber schuldenfreie Kommunen besuchen. Mehr ...

WITTEN AKTUELL, 6.6.2015
Parteiloser Bürgermeisterkandidat mit 388 Unterstützern

Walter Budziak, parteiloser Kandidat bei der Bürgermeisterwahl am 13. September, hat die notwendigen Unterschriften von Unterstützern im Rathaus abgegeben. Mehr ...

WAZ, 2.6.2015
Bürgermeister-Kandidat Walter Budziak hat 388 Unterstützer

388 Unterschriften von Unterstützern hat Walter Budziak, der im September als Bürgermeister-Kandidat ins Rennen gehen will, zusammen. Die Liste hat der Bochumer am Dienstag der städtischen Bürgerberatung übergeben. Mehr ...

Image Witten, April 2015
Gegen verkrustete Strukturen: Witten geht besser

Parteiloser Walter Budziak tritt in diesem Jahr bei der Wahl zum Bürgermeister an. Mehr ... S. 21

Witten Aktuell, 6.3.2015
Ein weiterer Kandidat: Walter Budziak will Bürgermeister werden

Das Rennen um den Posten des Bürgermeisters hat einen weiteren Kandidaten bekommen. Walter Budziak wirft seinen Hut in die Manege. Mehr ...

WAZ, 5.3.2015
Noch ein Bürgermeisterkandidat für Witten

Walter Budziak (62) möchte Bürgermeister in Witten werden. Der Journalist, der noch in Bochum lebt, ist parteilos und hält dies für seine Stärke. Mehr ...

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

Dez. 2014 Mit Mandat im Gepäck zur Spitzenrente
Reinhold Messners lukrativer Aufstieg ins Parlament

Kommentar von Walter Budziak

Nach fünf Jahren als Abgeordneter im EU-Parlament, Anwesenheit hin, Abwesenheit her, lebenslang eine monatliche Rente von 3 000 Euro beziehen zu dürfen, davon kann ein durchschnittlicher Arbeitnehmer vielleicht träumen. Reinhold Messner genießt dieses Traumrente-Privileg. Er war von 1999 bis 2004 für die italienischen Grünen Mitglied der europäischen Volksvertretung. So vielseitig und weltoffen der berühmte Abenteurer ansonsten auftritt, seine parlamentarische Arbeit hielt er in engen Grenzen. An 171 Sitzungstagen steht er auf der Anwesenheitsliste, 136 mal sucht man seinen Namen dort vergebens. So bodenständig und bescheiden er sich gerne gibt, auf seine Politikerrente legt er dennoch einigen Wert. Die stehe ihm schließlich zu, wie er im ZDF (Wiso, 15.9.2014) sagte.

Wie viele andere Parlamentsabgeordnete erledigte auch Reinhold Messner neben seinen parlamentarischen Beschäftigungen ein strammes Pensum an anderen beruflichen Aktivitäten. Die Liste seiner Expeditionen und Publikationen zwischen 1999 und 2004 ist lang. Und seine Burgen und Kunstsammlungen verwalten sich vermutlich auch nicht von selbst.

Sein Fleiß und seine Leistungen verdienen sicherlich Anerkennung und in gewisser Weise Bewunderung. Damit ein millionenschweres Vermögen anzuhäufen, sei neidlos zugestanden. Auch kommt Reinhold Messner öffentlich stets besonnen, glaubwürdig, ja sympathisch an. Und bleibt auch im Hintergrund maßvoll. Wenn vergleichbare Größen Pressestellen und Rechtsanwaltsbrigaden in Marsch setzen, er beantwortet Presseanfragen selbst, handschriftlich.

Die Frage an eine Gesellschaft, die ein Kraxeln auf Gletschergipfel und Fußmärsche durch Wüsten zur individuellen Bestätigung und persönlichen Profilierung höher bewertet und honoriert als etwa die Kunst eines Oberarztes, eine abgerissene Milz mitten in der Nacht notfallmedizinisch zu stabilisieren, sei dahingestellt. Zumindest was den allgemeinen, sprich sozialen Aspekt angeht. Niemand sollte verurteilt werden, wenn er nimmt, was ihm für das, was er anbietet, gezahlt wird. Nur geht es bei einer 3 000-Euro-Monatsrente aus einer fünfjährigen parlamentarischen Stippvisite nicht um den Erfolg einer medialen Selbstvermarktung, die eine gemeine altrömische Aura nach Heldentum und Ersatz für eigenes Normalsein bedient.

Hier geht es um öffentliche Gelder. Die auch jede Kassiererin an der Supermarktkasse mit ihren Steuern mittragen muss.

Bleibt noch ein anderer fader Nachgeschmack. Hat ein liberal/grüner EU-Abgeordneter, wie Messner sich selbst bezeichnet, mit seinen expressionistischen Selbstinszenierungen nicht einer Massenzerstörung der vielleicht letzten, noch mythenbefangenen Geheimnisse der Erde und damit der Menschheit unwiederbringlich Vorschub geleistet? Hat er. Eine verwestliche, zerstörte tibetische Kultur und hunderte, im Fron profitgeiler exterritorialer Veranstalter verschlissene Sherpas ließen entlang der Routen zu den Himalayagipfeln ihr Leben. Jede Menge Müll und sonstige Vernichtung von Unberührtheit, einhergehend mit dem Größenwahn, alles sei mach- und sauerstoffmaskenlos beherrschbar, Lawinen der Rücksichtslosigkeit, mit losgetreten von Reinhold Messner.

Zurück zum EU-Abgeordnetenmandat des Reinhold Messner. Jedem Arbeitnehmer wäre bei einer Abwesenheitsquote von 44 Prozent seiner erwarteten Mindestarbeitszeit, selbst bei schwerster Krankheit, längst, nach wenigen Wochen, schon in der Probezeit fristlos gekündigt worden. Auch darüber setzt sich der Gelegenheitsparlamentarier hinweg. Das ist der Vorwurf, der Reinhold Messner nicht erspart werden darf, bei allem Respekt vor den persönlichen, selbstauferlegten Herausforderungen, die er gemeistert hat.

Zu weiteren Fakten und Hintergründen nachstehender Bericht.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

Dez. 2014 Kokette Bescheidenheit
Reinhold Messner bezwingt auch parlamentarische Klippen

Von Walter Budziak

In einem Biwak, draußen und allein, wollte Reinhold Messner seinen 70. Geburtstag „feiern“, so jedenfalls ließ er es über die Medien verbreiten. Der weltberühmte und vermögende Bergsteiger, Abenteurer und Autor vieler Bücher gibt sich eben gern bescheiden. Was mitunter in Koketterie entgleitet. Zum Beispiel dann, wenn er über seine „ganz bescheidene (Politiker-)Rente“ spricht (ZDF, WISO, 15.9.2014). Auf den Tag genau fünf Jahre vom 20. Juli 1999 bis 19. Juli 2004 saß Reinhold Messner als Abgeordneter für die italienischen Grünen (Federazione dei Verdi) im Europaparlament, wobei "sitzen" nicht allzu wörtlich genommen werden sollte.

Eine Rente von etwa 3 000 Euro bezieht er nach eigenen Angaben. Monatlich. Was ihm „so unwichtig“ ist, wie er beteuert, aber: „Das steht mir zu“ (ZDF, WISO, 15.9.2014). Zum Vergleich: Nach 45 Beitragsjahren und einem bundesweiten Durchschnittseinkommen darf der sprichwörtliche Eckrentner in den alten Bundesländern eine Rente zwischen 1 266,30 Euro und 1 287,45 Euro beanspruchen (Stand: Juli 2014, Focus Online, 23.9.2014).

Bis auf acht Sitzungstage in den Monaten Oktober bis Dezember 1999, von denen keine Anwesenheitslisten vorliegen, sind aus der Wahlperiode Messner 307 Sitzungstage mit Anwesenheitslisten dokumentiert. An 171 EU-Plenarsitzungen hat sich der Abgeordnete Messner in die Anwesenheitsliste eingetragen, an den restlichen 136 Sitzungstagen fehlt der Name Messner in den Anwesenheitslisten. Ergibt eine Fehlquote von über 44 Prozent der belegten Sitzungstage.

Bis Dezember 2000 bestand eine Sitzungswoche in Straßburg aus fünf Sitzungstagen. Weil an den Freitagen kaum Abgeordnete an den Sitzungen teilnahmen, bis auf zwei Ausnahmen war auch der Abgeordnete Messner kein Freund von Freitagspräsenz, wurden die Sitzungswochen in Straßburg ab Januar 2001 kurzerhand auf vier Sitzungstage gekürzt. Aber auch die viertägigen Sitzungswochen waren nicht nach Messners Abgeordneten-Geschmack. In den Jahren 2001 bis zum Wahlperiodenschluss im Mai 2004 fand er an genau vier Montagen den Weg zu seinem Abgeordnetenplatz im Straßburger EU-Parlament.

In Brüssel fielen die jeweils zwei Sitzungstage pro Monat in der Regel auf einen Mittwoch und den darauffolgenden Donnerstag. Was dem Abgeordneten Messner offenbar aber auch nicht sonderlich behagte. Von den insgesamt dreizehn Sitzungstagen im Jahr 2002 nahm er dort gerade mal an drei Plenarsitzungen teil.

Das Protokoll verzeichnet weiterhin: Mitgliedschaft im Ausschuss für Regionalpolitik, Verkehr und Fremdenverkehr sowie im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Menschenrechte, gemeinsame Sicherheit und Verteidigungspolitik, stellvertretendes Mitglied im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Teilnehmer der Delegation für die Beziehungen zu den Ländern Südasiens und der Südasiatischen Vereinigung für Regionale Kooperation (SAARC). Dokumentiert sind außerdem 20 Wortmeldungen im Plenum sowie die Beteiligung an 47 Entschließungsanträgen und 39 parlamentarischen Anfragen.

Der zeitliche Aufwand ist im einzelnen nicht zu ermitteln. Ohne Sitzungsgelder, Reisespesen und sonstige Privilegien bezog ein EU-Abgeordneter wie Messner zum Ende seiner Wahlperiode 9 053 Euro im Monat (Deutsche Universität für Verwaltungswissenschaften Speyer, Prof. Hans Herbert von Arnim, 9. – 17.1.2004). Einschließlich steuerfreier Kostenpauschalen, steuerfreien Tagegeldern auch für „Brückentage“ und „freie Freitage“ sowie einer Mitarbeitervergütung von bis zu 12 305 Euro kamen EU-Abgeordnete locker auf 20 000 Euro im Monat, wie Prof. von Arnim seinerzeit vorrechnete.

Genaue Angaben über die Höhe der Diäten der Europaparlamentarier waren und sind kaum möglich. Das Vergütungssystem glich und gleicht dichten Nebelschwaden in einer Moorlandschaft. Fest steht allenthalben, EU-Parlamentarier halten weltweit mit Abstand den Spitzenplatz auf der Diätenleiter. Laut einer Studie, die Petra Tang (Netz.Trends, 22.5.2014) veröffentlichte, kassiert ein EU-Abgeordneter heute 213 924 Euro pro Jahr, was sich innerhalb einer Wahlperiode auf rund 1,07 Mio. Euro summiert. Einkommensmillionäre nach fünf Jahren. Bei der Möglichkeit, unbegrenzt Nebentätigkeiten nachzugehen und Nebenverdienste in unbegrenzter Höhe zu erwirtschaften.

Ohne die Ernsthaftigkeit seiner politischen Ambitionen pauschal in Frage zu stellen, Zweifel scheinen angebracht. Von den unbegrenzten Nebentätigkeiten und Nebenverdiensten hat der EU-Parlamentarier Messner regen Gebrauch gemacht. Laut eigenem Messner Mountain Museum absolvierte Reinhold Messner neben seinem Abgeordnetenleben ein pralles Pensum:

1999: Filmarbeit: San-Francisco-Peaks/USA (heiliger Berg der Navajo); Reise in die Wüste Thar/Indien
2000: Überquerung von South Georgia auf der Shackleton-Route; Nanga-Parbat-Expedition; Filmarbeit am Fuji/Japan für die ZDF-Serie „Wohnungen der Götter“
2001: Dharamsala und Ausläufer des Himalaya/Indien; ZDF-Serie „Wohnungen der Götter“ am Gunung Agung/Bali
2002: Im „Internationalen Jahr der Berge“ Besuch von Bergvölkern in den Anden und Besteigung des Cotopaxi (5 897 m), Ecuador
2003: Trekking zum Mount Everest (Jubiläumstreffen zum fünfzigsten Jahrestag der Erstbesteigung); Reise nach Franz-Josef-Land/Arktis; am 1. Oktober Eröffnung der „Günther Mountain School“ im Diamir Tal am Nanga Parbat/Pakistan

Damit aber nicht genug, die Liste seiner parallel erstellten Veröffentlichungen ist noch länger:
• Mallorys Zweiter Tod, BLV, München 1999, ISBN 3-405-15840-0
• Eugen Guido Lammer, Steiger, München, Hrsg., 1999
• Annapurna, BLV, München 2000, ISBN 3-405-15769-2
• Die großen Wände, BLV, München 2000, ISBN 3-405-15981-4
• Bergvölker, BLV, München 2001, ISBN 3-405-16206-8
• Reinhold Messners Philosophie, Hrsg. von Volker Caysa und Wilhelm Schmid, Suhrkamp, Frankfurt am Main 2002, ISBN 3-518-12242-8
• Rettet die Alpen, Piper, München 2002, ISBN 3-492-23557-3
• Der nackte Berg – Nanga Parbat – Bruder, Tod und Einsamkeit. Malik, München 2002, ISBN 3-89029-211-9
• Dolomiten – Die schönsten Berge der Welt. C.J. Bucher, München 2002, ISBN 3-7658-1312-5
• Berge, Herbig, München 2002, ISBN 3-7766-2281-4
• Vertical – 100 Jahre Kletterkunst, BLV, München 2002
• Everest – Himmel, Hölle, Himalaja, Vortrag, AUDIOBUCH Verlag, Freiburg 2002, ISBN 3-933199-87-5
• Mallorys zweiter Tod – Das Everest Rätsel und die Antwort, Piper, München 2002
• Die weiße Einsamkeit – Mein langer Weg zum Nanga Parbat, Malik, München 2003, ISBN 3-492-24186-7
• K2 Chogori – Der Große Berg, Frederking & Thaler, München 2004, ISBN 3-89405-629-0
• König Ortler, BLV, München 2004
• Reinhold Messner – Mein Leben am Limit zusammen mit Thomas Hüetlin, Malik, München 2004, ISBN 3-89029-285-2
• Nanga Parbat – Der Schicksalsberg, Vortrag, AUDIOBUCH Verlag, Freiburg 2004, ISBN 3-89964-076-4

Hinzu kommen vermutlich zahlreiche Vorträge, deren Messner sich gerne rühmt. Der Glanz von Messners europäisch-parlamentarischen Engagements scheint selbst manche Kolleginnen und Kollegen nicht gerade geblendet zu haben. Nach Ablauf seiner ersten Wahlperiode wollte er von den Federazione dei Verdi zu den bayerischen Grünen wechseln und erneut kandidieren. Was fehlschlug. Er wurde als Kandidat nicht akzeptiert.

„Fundamentalismus jeder Art“, auch der des Autors dieses Textes, sei ihm zuwider, schreibt Reinhold Messner und betont, er sei parteilos, den Listenplatz hätten ihm die italienischen Grünen seinerzeit angeboten, seinen Wahlkampf habe er aber selbst finanziert. Die Frage, ob er glaube, wegen seines Namens oder wegen seiner politischen überzeugung ins EU-Parlament gewählt worden zu sein, beantwortet er: „Ich bleibe ein liberal/grüner Denker und vor allem ein Praktiker.“

Seine Fehltage in Straßburg und Brüssel erklärt Messner ebenso ausweichend. Eine „komplexe Anreise“ sei dafür verantwortlich gewesen sowie zahlreiche Auftritte, Recherchen und Projekte. Außerdem habe er „zynisch gesagt“ auch keine Schäden wie Überbürokratisierung anrichten können. Er sei für Europa im Parlament gewesen, nicht für ein Land und nicht für eine Partei. Die Arbeit eines Parlamentariers finde größtenteils außerhalb der Sitzungsräume statt. Man müsse seine „Akte“ anders lesen, dann seien die Resultate auch nicht zu übersehen.

Zu den Gründen seiner gescheiterten Kandidatur bei den bayerischen Grünen zählt er ein neues, nicht näher bezeichnetes Projekt, was dazu geführt habe, dass er zwei Angebote auf einen Listenplatz nicht mehr verfolgt habe. Von seinen vielen Veröffentlichungen während seiner Zeit als EU-Parlamentarier seien einige ebenso „politischer Natur“ wie auch einige seiner Reisen zwischen 1999 und 2004. Überdies habe er damit auch „aus eigener Tasche“ Entwicklungshilfe geleistet.

Auf seine Rentenansprüche aus seiner fünfjährigen Parlamentszeit angesprochen, rückt Messner von seinen Äußerungen in der WISO-Sendung vom September 2014 merklich ab. Seine Rente setze sich aus „festgelegten Sätzen (I/EU)“ zusammen sowie Rentenansprüchen „aus früheren und späteren Einzahlungen in Kassen“ und „gekauften Rentenpapieren“. Dazu zahle er auf sein Einkommen „bis heute“ Steuern und Rentenversicherung, wie er offensichtlich stolz hinzufügt.

3 000 Euro lebenslange monatliche Rente für eine Arbeitsleistung von 171 Teilnahmen an Sitzungen des EU-Parlaments in fünf Jahren, lediglich gemessen an einer selbst bescheinigten Anwesenheit, wobei offen bleibt, wann die Anwesenheit begann und wann sie endete, selbst wohlwollend gerechnet kommt der einstige EU-Parlamentarier damit nicht einmal auf ein einziges Jahresarbeitssoll eines durchschnittlichen Arbeitnehmers. Auch wer 1999 für den liberal/grünen Volksvertreter Reinhold Messner gestimmt hat, dem muss dessen Bescheidenheit als verhöhnende Koketterie vorkommen. Was sollen erst die empfinden, die ihn nicht mal gewählt haben?

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

Jan. 2014 Armes Bochum
Kein Grund zur Einsicht

Von Walter Budziak

Höhere Preise generieren Einnahmen. Einnahmen verursachen an anderer Stelle aber auch Ausgaben, dies zu beherzigen und in Balance zu bringen ist die hohe Kunst des Wirtschaftens. Die nur wenige beherrschen. Leider.

Mit ihrem Beschluss, die Grundbesitzabgaben (Grundsteuer B) ab 2015 bis auf 645 Prozent des Hebesatzes zu erhöhen, setzt die Verwaltung die völlig falschen Signale. Die Stadt gilt als Schrumpfregion, 2025 werden weniger als 350 000 Einwohner Bochum bevölkern, prophezeit die Bertelsmann Stiftung. Bedeutet, die Nachfrage nach Wohnraum und damit nach Grundfläche wird sinken. Eigentlich ein Signal, Preise zu senken. Um Anreize zu schaffen, vielleicht doch in Bochum zu bleiben oder sogar nach Bochum zu kommen.

Daran haben die Stadtoberen aber kein Interesse. Sie pfeifen auf strukturelles Anpacken und ökonomische Vernunft, sie erhöhen die Preise, schlechten Beispielen einfach hinterher.

Mit der Folge: Immer weniger Eigenheimbesitzer und Mieter können sich das teurere Bochumer Pflaster noch leisten, noch mehr Menschen werden noch schneller abwandern, die Wirtschaftskraft der Kommune wird weiter sinken, bis die Stadtmütter und -väter auf leere Häuser und Straßen blicken. Armes Bochum! Nicht wegen der chronisch klammen Stadtkassen. Wegen der Einfallslosigkeit und Dummheit der Verantwortlichen.

Kapitulation der Vernunft auf der ganzen Linie, Kapitulation der Kreativität, der Weitsicht. Weiter wachsende Schulden trotz höherer Einnahmen. Weil die an anderer Stelle höhere Ausgaben nach sich ziehen. Beim Wohngeld etwa. Eine Grundbesitzangabe wird von Vermietern auf die Mietnebenkosten umgelegt. Mit den Grundbesitzabgaben steigen somit auch die Mietnebenkosten, die gestiegenen Mietnebenkosten belasten die Stadt bei ihren Wohngeldzahlungen. Was sie also von den Eigentümern einsammelt, muss sie zumindest teilweise an wohngeldberechtigte Mieter wieder auskehren. Dazu der bürokratische Aufwand, weniger Kaufkraft und damit weniger Konsum bei den Eigentümern, will sagen, geringere Gewerbesteuereinnahmen, das Ganze bei schlechteren und teureren Leistungen (Schwimmbäder, Büchereien etc.), und fertig ist ein weiterer Nagel im Sarg, in dem die Zukunft des Gemeinwesens versenkt werden wird.

Ein Großteil derer, die zahlen müssen, sind Bewohner, die weitsichtig gelebt und gewirtschaftet haben, die sich etwas aufgebaut haben. Eigentlich eine Bevölkerungsschicht, die als Fundament einer Kommune gesehen werden sollte. Wahrscheinlich die letzte, die man noch schröpfen kann. Die hängen an ihren vier Wänden, die können nicht so einfach weg. Die Stadt sägt an Ästen, auf denen sie sitzt.

Vielleicht steckt aber doch ein raffinierter Plan hinter der Strategie. Hohe Grundbesitzabgaben gleich attraktiver Standort gleich Marktvorteil im Städtewettbewerb. Es war schon immer etwas teurer, in einer tollen Stadt zu wohnen. Nur, welche tolle Stadt nochmal?

zum Seitenanfang ! zu Impressionen

20.9.2013 Nachtisch auf der Cholerastation
Die Angst des Wählers vor der Urne

von Walter Budziak

In drei Tagen sollen die Deutschen darüber abstimmen, wer in den nächsten vier Jahren für welche Partei im Bundestag sitzen darf, oder anders ausgedrückt, wer das Geld bekommen soll dafür, dass er oder sie im Bundestag sitzen dürfte, auch wenn er oder sie gar nicht im Bundestag sitzt. Sondern vielleicht im Flugzeug. Auf einer Informationsreise nach Südafrika zum Beispiel. Oder im Restaurant. Bei einem Arbeitsessen mit Großspendern des Ortsvereins der Partei, der er oder sie angehört. Oder gern auch mal im Wellnessbereich eines noblen Strandhotels. Um an einer wichtigen Tagung teilzunehmen, auf der die privaten Krankenversicherungen ihre neuesten Finanzierungsvorschläge diskutieren.

Zur Wahl aufgerufen sind alle Wahlberechtigten, oder zumindest möglichst viele, je mehr desto besser. Wer nicht wählt, wird auch sofort als Nichtwähler gebranntmarkt, ausgegrenzt. Er oder sie darf dann auch in den nächsten vier Jahren nicht mehr mitreden, wenn über Politik geredet wird. Darf schon gar nicht meckern, nicht mal mitmeckern, wenn andere sich über die Politiker ärgern, weil die mal wieder die Millionengehälter systemrelevanter Bankmanager mit Milliardenbeträgen aus Steuergeldern stützen, während staatliche Erzieher und Erzieherinnen immer noch um einen finanziellen Ausgleich für ihre Überstunden kämpfen.

Nun bedeutet Wählen ja grundsätzlich, sich für eine von mehreren Möglichkeiten zu entscheiden. Was allerdings voraussetzt, das es mehrere Möglichkeiten gibt. Am besten Möglichkeiten im Sinn von Alternativen, von gut oder schlecht, gerecht oder gemein, sozial oder selbstherrlich, friedlich oder brutal, demokratisch oder herrschsüchtig.

Um hier Orientierung zu bieten, legen die Parteien, die sich zur Wahl stellen, Wahlprogramme auf. Die bei der Wahl aber keine Rolle spielen, weil sie keiner kennt, weil sie keiner gelesen hat, weil ohnehin nichts drinsteht außer nebulösen Absichtsbekundungen und wolkigen Versprechungen. Mehr Wohlstand durch höhere Einkommen, mehr Gerechtigkeit durch Chancengleichheit, mehr Sicherheit durch mehr Sicherheit. Kein klares Wort, das die Gegenwart beschreibt, kein klares Wort, welches Ziel in der Zukunft erreicht werden soll, kein klares Wort, bis wann und womit dieses Ziel erreicht werden soll. Wähler, die rational anhand von Fakten, Erkenntnissen, nachvollziehbaren Schlussfolgerungen und schlüssigen Visionen entscheiden, also wählen wollen, werden somit systematisch von der Wahl ausgeschlossen.

Bleiben also die Wähler übrig, die emotional Personen wählen, nach Sympathie, nach Ausstrahlung, nach Eloquenz, nach Aussehen, nach der Hunderasse auf den Bildern aus dem letzten Familienurlaub im Alpenvorland. Eine selbstgefälliger, selbstverliebter als der andere. Mit Sprüchen und Gesten, so verbindlich und gehaltvoll wie eine gebrauchte Papierserviette. Bei einigen wirkt es immerhin noch glaubhaft, wenn sie so reden, als hätten sie die Fäden selbst in der Hand, an denen sie in Wirklichkeit zappeln wie Jim Knopf in der Augsburger Puppenkiste.

Und wie einfühlsam sie sind. Edle Armani-Klamotten unter Rot-Grün, versteckte Spendengelder, Schmiergelder, Bestechungsgelder, fünfstellige Rednergagen, ohne Interessenskonflikt mit dem Amt, versteht sich, Flugmeilenmissbrauch, Dienstwagenmissbrauch, und jetzt auch noch Stinkefinger des sozialdemokratischen Kanzlerstürmers Peer von und zu irgendwas mit Stein, kindischster Singsang der SPD-Chefplapperdrossel Andrea Nahles am bundesparlamentarischen Rednerpult und die Linke Sahra Wagenknecht als Malerin Frida Kahlo, für die Gala pompös rausgeputzt. Wer will, wer kann da noch das politische Tagesgeschäft zum Wohl des deutschen Volkes abarbeiten? Und dann auch noch gewählt werden wollen? Doch wahrlich, wir Politiker verkünden und erbarmen uns, Volk, und nehmen eure Wahl an.

Was bringt eine Qualwahl zwischen Pest und Cholera? Außer einem guten Gefühl, anschließend mitplappern zu dürfen, wenn die, die auf der Peststation gelandet sind, sich beschweren, weil der Nachtisch auf der Cholerastation doch besser schmecken soll als vermutet. Ohne dabei schief angesehen zu werden, wohlgemerkt.

zum Seitenanfang ! zu Impressionen