Der Einsatz für eine demokratische Gesellschaft prägte ihr ganzes Berufsleben, sagt Brigitte Krenkers.
Jetzt hat sie auch den Verkauf von Lebensmitteln auf die Liste ihrer demokratiefördernden Aktivitäten gesetzt.
Gemeinsam mit Hannah Eilert und Claudia Bellgart-Giesmann plant und betreibt sie den neuen
Regionalladen Grüne Perle in der oberen Bahnhofstraße mitten in der Innenstadt. Der Zuspruch
hat bereits vor der Eröffnung alle Erwartungen übertroffen.
"Vom Acker direkt in den Laden und auf den Teller", lautet das Motto der neuen lokalen Direktvermarktungs-Kooperative, die,
dem demokratiefördernden Anliegen des Gründerkreises folgend, noch ein weiteres Kriterium erfüllt: sie ist
genossenschaftlich und somit gemeinwohlorientiert organisiert. Mit 100 Euro pro Anteil ist eine
Mitgliedschaft auch für Mitbürger mit geringerem Einkommen erschwinglich. Wer den Regionalladen großzügiger
unterstützen möchte, kann sich mit mehreren Anteilen beteiligen. Das basisdemokratische Konzept gerät dadurch aber
nicht aus dem Gleichgewicht. In der Versammlung der Genossenschaftsmitglieder haben alle Teilnehmenden jeweils eine Stimme unabhängig
von der Zahl ihrer Anteile.
"Mit Lustgefühl Gemeinschaft erleben"
Lebensmittel, regional erzeugt und lokal vermarktet, gehören für Brigitte Krenkers und ihre beiden Kolleginnen
im Genossenschaftsvorstand zur DNA eines lebendigen Gemeinwesens. So soll der Regionalladen nicht nur als Verkaufsstelle für regional
erzeugte Kartoffeln, Möhren, Erbsen, Bohnen, Salate, Äpfel, Birnen und Kräuter stehen, die Kunden sollen "mit einem
Lustgefühl" einkaufen und "Gemeinschaft erleben" (Krenkers). So bietet die ladeneigene Küche frisch angerichtete
kleine Mittagsgerichte, Kuchen und Eis aus regionalen Erzeugnissen. Die Kunden, nicht nur die Genossenschaftsmitglieder, so hoffen die Organisatoren, sollen sich treffen,
sie sollen sich austauschen und an Kochkursen, Vorträgen, Workshops teilnehmen können, die wie Themenwochen zur regionalen und
ökologischen Landwirtschaft beispielsweise ebenfalls angeboten werden.
Knapp 330 Genossinnen und Genossen haben sich diesem Konzept seit der Gründung im März mit mindestens einem
Genossenschaftsanteil verschrieben. 280 waren anfangs kalkuliert, jetzt liegt die Latte bei 500. 80 000 Euro sollten zum Start für die ersten
Monatsmieten, für Umbau und Einrichtung
der vorherigen Geschäftsräume der Douglas-Kosmetikfiliale und
das erste Warensortiment in der Kasse liegen. Dieser Kassenstand wurde bereits überschritten. So haben die drei Vorstandsfrauen allen Grund
zu hoffen, dass die laufenden Kosten einschließlich der beiden Vollzeitgehälter, die
Hannah Eilert und Claudia Bellgart-Giesmann beziehen werden, künftig gedeckt werden können.
"Fahrtage" bringen Einkäufe nach Hause
Die Bereitschaft, die Grüne Perle zu unterstützen, komme von allen Seiten, sagt Brigitte Krenkers, angefangen bei der Vermieterin,
die auf einen großen Teil ihrer früheren Mieteinnahen verzichtet. Einen großen Beitrag leistet auch sie selbst.
Obwohl als dritte Vollzeitkraft eingeplant, verzichtet die 64-Jährige bis auf weiteres auf ihr Gehalt. Sie beziehe schon eine Rente, sagt sie,
damit komme sie zurecht. Anders und doch ähnlich Hannah Eilert (20): Sie habe ursprünglich Psychologie studieren wollen, manchmal bleibe man aber
"an gewissen Stellen hängen". Jetzt mache sie erstmal bei diesem Projekt mit.
Die gesamte Einrichtung wie die mobilen Gemüseregale, der Kassenbereich oder die Sitzecke werde, bis auf Kühlvitrinen und
Küche, größtenteils in ehrenamtlicher Eigenarbeit gezimmert. Auch die vor wenigen Wochen in Witten neu gegründete
Lastenfahrrad-Initiative habe bereits ihre Unterstützung angeboten. An ein oder zwei "Fahrtagen" in der Woche sollen Kunden sich ihre Einkäufe
mit dem Lastenfahrrad nach Hause bringen lassen können, so die Idee. Auch aus dem Wiesenviertel seien schon Angebote zur Zusammenarbeit
gemacht worden, freut sich Krenkers: "Dabei haben wir größere Firmen wie Ostermann bisher noch gar nicht angesprochen".
Nachhaltigkeit an oberster Stelle
Passend zum umweltschonenden Transport mit dem Lastenfahrrad steht Nachhaltigkeit weit oben auf der Genossenschaftsagenda. So solle mit dem
Sortiment im wesentlichen der Grundbedarf an Lebensmitteln angeboten werden, anstatt zehn Nudelsorten allenfalls zwei oder drei zur Auswahl. Man müsse
"nicht die ganze Welt in Bewegung setzen", um sich ausreichend zu ernähren, sagt Krenkers. Das gelte besonders für den Bereich "grenzenlos", wo
Kaffee, Kakao, exotische Gewürze in den Regalen liegen, immer von Erzeugern, mit denen die Grüne Perle-Betreiber in engem,
zertifiziertem Kontakt stehen, betont Krenkers. Die Wittener Naturschutzinitiative NaWit mit eigenen Obstwiesen wolle
Kunden der Grünen Perle im Herbst anbieten, Äpfel selbst zu pflücken. NaWit-Apfelsaft gehört somit auch
zum Sortiment des neuen Regionalladens in der Bahnhofstraße. Tiefkühlware werde dagegen nicht angeboten, wohl aber über Winter
in der Perle-Küche selbst eingemachtes Obst und Gemüse.
Beliefert wird der Regionalladen von Landwirten, Bäckern, Manufakturen oder alternativen Unverpacktläden wie der Füllbar in der
Hauptstraße um die Ecke.
Die meisten liegen im Umkreis von 100 Kilometern, Olivenöle oder Weine kommen naturgemäß auch schon mal von weiter weg,
aus Griechenland zum Beispiel.
Politischer Ansatz im Mittelpunkt
Den absehbaren Erfolg ihrer Regionalladen-Initiative schon vor der eigentlichen Eröffnung nach den Sommerferien am 13. August führt Krenkers
auch auf die politische Komponente des Konzepts zurück, für die offenbar ein großer Bedarf bestehe. Essen, sich ernähren ist politisch,
diese Bewegung finde auch in Witten immer mehr Anklang, vermutet sie. Der politische Ansatz stand und steht sogar im Mittelpunkt, sagt die frühere Gesellschafterin
der Omnibus für direkte Demokratie gGmbH in Witten.
Die Keimzelle der heutigen Grüne Perle-Genossenschaft fand im ebenfalls von ihr
gegründeten Café Demokratie im gegenüberliegenden Café Leye zueinander, mit dessen neuem Betreiber, Stephan Nussbaum,
an der Seite, inzwischen auch Vorsitzender des Aufsichtsrats der Regionalladen-Genossenschaft. Stadt und Landwirtschaft miteinander verbinden und Demokratie in der
Stadt fördern ist eine der Leitlinien des Projekts. "Eine lebendige und liebenswerte Innenstadt" soll wieder entstehen, "eine nachhaltige Einkaufskultur, ein Treffpunkt
und Begegnungsort für alle, eine Kultur, in der sich immer mehr Menschen verantwortlich fühlen für die Zukunft ihrer Stadt", beschreibt eine vierseitige
Broschüre die Ziele. "Faire Preise und Schutz der Natur" eingeschlossen.
In der selbstverständlich nicht repräsentativen Passantenbefragung bringt Farina Rudnik auf die Frage nach den Erwartungen an einen neuen Regionalladen
den politischen Aspekt auf den Punkt: Sie hoffe, "dass die Produkte vielleicht ein bisschen anders sind, dass sie mehr zu packen sind, einfach, dass man sich mehr
identifizieren kann mit diesen regionalen Produkten". Sie finde viele Angebote bisher noch "sehr unpersönlich".
Mit Bürgermeister Lars König "noch keinen Kontakt"
Alleine steht der neue Regionalladen nicht an der nachhaltigen Lebensmittelfront. Lebensmittelretter und Meinwirgemüse beispielsweise
setzen sich seit längerem ebenfalls
für einen umweltschonenden Lebensmittelkonsum ein und verfolgen ähnliche Ziele, mit einigem Erfolg, wie andere lokale Medien berichten. Ohne diese Vorreiter
wäre der Regionalladen "als Kaltstart nicht entstanden", sieht Krenkers die Grüne Perle im Einklang mit anderen Initiativen, die zur Belebung des
Gemeinwesens in Witten beitragen wollen.
Abgesehen von 2 000 Euro aus dem "Cityfond" habe der Regionalladen Unterstützung aus öffentlichen Kassen nicht erhalten,
aus formalen Gründen, sagt Krenkers. Landesmittel zur Belebung von Innenstädten würden nicht gewährt, weil der Regionalladen in der Rechtsform einer Genossenschaft
eingetragen ist, das "Sofortprogramm Innenstadt" der Stadt Witten hätte möglicherweise einen Teil der Maximalmiete für den Verkaufsraum mit Küche,
Büro und Kühlraum
vorrübergehend übernommen, die habe die Vermieterin aber von sich aus bereitwillig gekürzt.
Das Fortschreiten der Vorbereitungen sowie aktuelle Angebote und Veranstaltungen lassen sich jetzt schon hier
verfolgen. Die Eröffnung ihrer Grünen Perle am 13. August will die junge Regionalladen-Genossenschaft nachhaltig erntefrisch feiern.
Viele Gäste
aus dem öffentlichen Leben haben ihr Kommen bereits angekündigt, freut sich Krenkers. Mit Bürgermeister Lars König habe sie
"noch keinen Kontakt".
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