Ratsbeschluss "ohne öffentlichen Diskurs durchgedrückt"
Was soll das denn jetzt? Studenten, gestern noch hinter Fridays-for-Future-Plakaten für eine Verkehrswende mit weniger Autoverkehr
durch die Stadt gezogen und heute wegen zu hoher Parkgebühren das Rathaus stürmen, der
geneigte Beobachter schüttelt irritiert den Kopf.
"Kein Widerspruch", sieht Fabian Schmidt. Er hatte den Protest in Fahrt gebracht. Der UW/H-Student, Management im siebten Semester, hatte mit Kommilitonen
einen offenen Brief an Bürgermeister Lars König verfasst und studienkonform eine Petition organisiert, um die vom
Verkehrsausschuss zwei Wochen zuvor bereits gebilligten neuen Parkgebühren vor der abschließenden Ratsentscheidung
noch zu verhindern. Mehr als 600 UW/Hler, Studenten und Beschäftigte, haben sich ihm angeschlossen.
Drei Euro pro Stunde auf den Stellplätzen entlang der Alfred-Herrhausen-Straße und deren
Seitenstraßen, ein Euro fünfzig dann im Parkhaus, das neben der Zahnklinik erst noch gebaut wird. Viel zu viel
für einen schmalen Studisäckel, sagt der 21-Jährige, der neben seinem Studium schon eine Beraterfirma mitgegründet hat.
Beglückt ins nur halb so teure Parkhaus
Die Vorgeschichte: Schon 2015 war klar, die UW/H will und muss wachsen. Mehr Studenten, mehr Studienangebote.
Ein Erweiterungsbau muss her, dafür müssen die knapp 200 Parkplätze zwischen
Hauptgebäude und Forschungs- und
Entwicklungszentrum (FEZ) weichen. Und an anderer Stelle in einem Parkhaus neu entstehen.
Aber nicht auf unsere Kappe, pocht die UW/H auf ihre Kernkompetenzen Lehren und Forschen. Die Stadt lenkt ein,
stellt ein passendes - bewaldetes (Ökologie! Nachhaltigkeit!) - Grundstück neben der Zahnklinik zum Verkauf,
ein Investor aus Dortmund, die Firma Immo Connect, beißt zögerlich an. Und soll nach Fertigstellung auf seine kalkulierten Kosten kommen.
Heißt,
aus Sicht der Studierenden, das Autoparken entlang der Straßen im UW/H-Bereich so teuer zu machen, dass alle autofahrenden UW/Hler
beglückt ins nur halb so teure Parkhaus strömen.
"Absoluter Schrott", kommentiert Schmidt den niederschmetternden Ratsbeschluss vom 23. März. Nicht nur den
Bürgermeister, Vertreter aller Ratsparteien habe man vorab zum Dialog eingeladen, gesprächsbereit gezeigt hätten
sich neben dem Bürgermeister lediglich die FDP, die Linken und die Piraten. Die Entscheidung für die neuen Parkregeln seien "ohne öffentlichen Diskurs durchgedrückt"
worden. Langfristig unterstützten die Studierenden ein nachhaltiges Verkehrskonzept bis hin zu, "Parkplätze komplett abzuschaffen".
Ausgerechnet bei den Studenten "die Mobilitätswende mit der Brechstange" einzuläuten, sei nicht hinnehmbar.
Uni an einem nachhaltigen Verkehrskonzept beteiligen
Das "Timing" stimme nicht. Erst brauche es eine fahrradgerechte Infrastruktur in der Stadt. „Sind Sie in den letzten zwei Jahren selbst mal
mit dem Bus oder dem Rad den Weg zur Universität gefahren", fragen die UW/H-Studis in ihrem offenen Schreiben unter "Lieber Herr Bürgermeister",
die Dauergroßbaustelle Pferdebachstraße als Verbindungsachse zur Innenstadt im Blick.
Außerdem fehle eine S-Bahn-Haltstelle in Uninähe,
nicht nur für die Studierenden, auch für die Beschäftigten der UW/H, die aus Städten wie Wuppertal oder Köln zur Uni pendelten.
Einen Vorschlag, eine solche S-Bahn-Haltstelle einzurichten, hätten die Studenten längst vorgetragen.
Den entsprechenden Antrag hatten die Piraten schon 2017 im Verkehrsausschuss eingebracht.
Im Rahmen einer gemeinsamen „Kapazitätsoffensive Bahnhöfe“
des Landesverkehrsministeriums NRW und der Deutschen Bahn soll am Bahnübergang an der Pferdebachstraße eine neue
Haltestalle entstehen und so mit der Linie S 5
eine direkte Verbindung nach Dortmund sowie über Witten Hbf nach Hagen. Wann fertig? Offen. Zu sehen ist davon noch nichts.
Grundsätzlich möchte Schmidt
die Uni an einem nachhaltigen Verkehrskonzept beteiligt sehen. Die Stadt brüste sich schließlich auf jedem Ortseingangsschild mit der UW/H,
und deren Studenten hätten nun mal auch "gewisse Interessen", die sie gerne berücksichtigt sähen.
Ein Einsehen mit den Parkgebührgegnern hatten die Vertreter der FDP, der AFD und der Linken, alle anderen Fraktionen, allen voran die der CDU, der SPD und der Grünen,
stimmten für das neue Parkgebührenkonzept an der Uni, schmetterten die Petition der Studis ab. Somit auch die Piraten.
Ein Parkhaus ermögliche nun mal "eine effizientere Nutzung des Platzes",
verteidigt Chefpirat Stefan Borggraefe die Entscheidung seiner Fraktion. Und betrachtet die Uni mit einem "autofreien Campus" als "Modellprojekt
für die ganze Innenstadt". Will sagen, Parkplätze reduzieren, in Grünflächen umwandeln, für Fahrradbügel nutzen,
Autos in Parkhäuser abdrängen, alles zum Gedeihen einer "walkable city", einer begehgerechten Stadt also.
Sozialfonds für wirtschaftlich schwache Studenten
Manches sei auch noch nicht endgültig ausgemacht, beschwichtigt Borggraefe. Dazu zähle,
wie die Uni die 280 pauschal angemieteten der 600 vorhandenen
Stellflächen vergebe oder ob noch ein "Tagesmaximum" für einen Stellplatz ausgehandelt werden könne. Helfen könne möglicherweise
auch der Sozialfonds, den die UW/H für wirtschaftlich schwache Studenten vorhalte.
Beispielhaft findet Borggraefe allenthalben, wie die UW/H-Studenten ihre Anliegen demokratisch eingebracht und einen "Austausch zum besseren Verständnis"
angestoßen hätten. Das passe gut zur debattierfreudigeren Stimmung und parteioffeneren Mehrheitsbeschlüssen,
die Lars König als neuer Bürgermeister in den Stadtrat getragen habe.
Alle Möglichkeiten von Mobilität
Greifen soll das Beschlossene ab Juni, falls das neue Parkhaus bis dahin steht. Danach sieht es derzeit nicht aus. So lange könnten alle Beteiligten sich
noch auf ein abgestufteres Vorgehen auf dem langen Weg zu einem "autofreien Campus" einigen,
das alle Möglichkeiten von Mobilität (Busshuttle, Leihfahrräder) einbindet. Bürgermeister Lars König soll Dialogbereitschaft
angedeutet haben, schreibt zumindest WAZ-Redakteur Jürgen Augstein-Peschel in seinem Artikel vom 24. März.
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