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STADTGESPRÄCHE
Klaus Lohmann
Stahlstandort gerettet, beim Rathausplatz "Fehler gemacht"

Vollblutpolitiker ist ein Klischee, dem nur wenige so nahe kommen wie Klaus Lohmann (SPD). Über Jahrzehnte ist sein Name und seine Person mit politischen Entscheidungen in Witten verbunden. Bei einer Straßenbahnfahrt durch die Innenstadt erinnert er an einige markante Stationen seines politischen Wirkens.

Schon Die ZEIT erwähnte 1993 den vollen Terminkalender des Klaus Lohmann und verbindet seinen Politikstil mit dem von "Lokalmatadoren, die lieber handeln, als zu debattieren".

Beruflich konzentrierte sich der 1936 in Witten geborene Lehrerssohn zunächst auf die Kohle- und Stahlindustrie in seiner Heimat, ging nach dem Gymnasium auf die Bergschule, die er als Bergbauingenieur wieder verließ, um anschließend 13 Jahre als Grubensteiger unter Tage zu arbeiten. Bereits mit zwölf Jahren war er begleitend aber auch früh politisch aktiv: zunächst bei der sozialistischen Jugendorganisation "Die Falken", mit 18 Jahren als SPD-Genosse und ein Jahr später als Mitglied der IG Bergbau und Energie.

Eine fast endlose Reihe an Mandaten und Ämtern in politischen Gremien und Verbänden folgten. Dem Stadtrat gehörte Lohmann seit 1970 an, von 1975 bis 1984 auch dem Kreistag des Ennepe-Ruhr-Kreises. Mit dem Bürgermeisteramt ging es dann 1978 bis 1983 weiter, bevor er direkt in den Bundestag gewählt wurde. Nach zehn Jahren in einer Doppelfunktion als Bundestagsabgeordneter und ehrenamtlicher Bürgermeister folgte 1999 die Wahl zum ersten hauptamtlichen Bürgermeister in Witten.

Außer bei den tagespolitischen Geschäften mischte Lohmann in vielen anderen Bereichen mit. Die Zahl seiner Vereinsmitgliedschaften ist legendär. Stimmenfang in der "Pufferzone zwischen privater Vereinsmeierei und öffentlicher Politik" nannte Die ZEIT das damals. Als ehemaliger Vorsitzender des Kreissportbunds Ennepe-Ruhr und Präsident des KSV Witten 07 stand und steht Sport an oberster Stelle seiner Interessensliste. Ebenso stark macht er sich aber auch für Städtepartnerschaften, für Denkmalschutz und für Schach. Als Vorstand der Schachabteilung der Sport-Union Annen kümmert er sich bis heute aktiv besonders um die Jugendarbeit.

Wichtige Ereignisse und Entscheidungen in der Wittener Stadtgeschichte fallen in die Ära Lohmann. Der große Arbeitsplatzabbau Anfang der 70er beim Edelstahlwerk zählt dazu, die Neugestaltung der Bahnhofstraße und des Rathausplatzes in den 90ern und Städtepartnerschaften wie die mit Lew Hasharon in Israel.

StadtZEIT Herr Lohmann, wir sitzen hier in der Straßenbahn Linie 310 von Heven Richtung Innenstadt. Die Strecke dürfte Ihnen bestens bekannt sein. Sie hatten einmal große Pläne mit dieser Strecke. Sie wollten die Linie U 35 von Bochum bis Witten weiterführen.

Lohmann Wir wollten die Ruhr-Universität über den Kalwes mit Witten verbinden, idealerweise bis Annen. Das war die große Vorstellung, die von Witten auch akzeptiert wurde. Aus dem Bochumer Süden war aber eine Bürgerinitiative dagegen, die gesagt haben, wir möchten den Kalwes erhalten, wie er ist. Es war dann im Endeffekt aus Bochumer Sicht nicht zu machen. Was mir leid getan hat. Ich bin in Annen groß geworden. Wir hatten früher eine Straßenbahnanbindung bis Annen-Nord, ganz früher sogar bis in die Kreisstraße hinein. Es gab sogar Pläne, die beiden Universitäten Dortmund und Bochum über Annen mit einer Seilbahn zu verbinden. Sozusagen Witten als Stadt zwischen den Universitäten. Das konnten wir dann verändern, indem wir nun selbst Universitätsstadt sind.

StadtZEIT Herr Lohmann, wir nähern uns dem Haus der IG Metall. Für Sie auch ein Ort von großer Bedeutung?

Lohmann Ich bin seit über 60 Jahren Mitglied der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie. In Witten war es für den Rat der Stadt und auch für Bürgermeister immer eine Selbstverständlichkeit, dass wir bei den vielen Arbeitern, die in der Stadt beheimatet sind, mit den Gewerkschaften positiv zusammenzuarbeiten. Was schon vor meiner Zeit als Bürgermeister dazu führte, dass acht Leute aus dem Edelstahlwerk auch Ratsmitglieder in der SPD-Fraktion waren. Eine geborene Situation also, mit den Gewerkschaften zusammenzuarbeiten.

StadtZEIT Wir passieren jetzt den Haupteingang des früheren Edelstahlwerks Witten, wo früher einmal 7 000 ...

Lohmann ... 7 400 ...

StadtZEIT ... wo früher 7 400 Menschen beschäftigt waren. Heute arbeiten hier vielleicht noch 1 500 Beschäftigte. In den 70er Jahren hat ein massiver Abbau an Arbeitsplätzen stattgefunden. Hat die Politik trotz der engen Verbindung zwischen Stadtrat und Gewerkschaften angemessen darauf reagiert? Hätte die Stadt den sich abzeichnenden Strukturwandel nicht erkennen und sich besser darauf einstellen müssen?

Lohmann Die Tatsache, dass dieses Werk überhaupt weiter existiert, zeigt ja, dass wir mit einer Radikallösung, so wie sie in Hattingen gelaufen ist, wo die Henrichshütte mit 15 000 Mitarbeitern vollkommen stillgelegt wurde, nicht erfolgreicher gewesen wären. Die Sparte Edelstahl war eine besondere, die von Anfang an eine andere Qualität hatte. Von daher war es richtig, dass wir als Stadt dafür gekämpft haben, dass der Stahlstandort als solcher erhalten bleibt. Die, die damals dafür waren, den Laden wie in Hattingen ganz platt zu machen, sind eines Besseren belehrt worden. Bis heute ist das Edelstahlwerk mit seinen tollen Produkten in Deutschland konkurrenzfähig und kann sich gegenüber anderen Unternehmen behaupten.

StadtZEIT Nächste Station: Bahnhofstraße. Um- beziehungsweise Neugestaltung in den 90ern. Zur Einweihung 1999 war auch die damalige NRW-Ministerin für Stadtentwicklung, Ilse Brusis, in Witten. Etwas landesweit Neues sei geschaffen worden, hat sie gesagt. Und Sie, Herr Lohmann, haben sich in einer Pferdekutsche vorfahren lassen. Eine Nummer kleiner ging nicht?

Lohmann (lacht) 35 000 Wittener seien damals hier auf den Beinen gewesen, hat die Presse geschrieben. Die Innenstadt war voller Menschen. Die umgestülpten Schirme von Lechner (Peter Lechner, Wittener Künstler, Anm. d. Redaktion) auf dem Berliner Platz, die später heftig kritisiert wurden, der Rat hatte das alles akzeptiert gehabt. Dass das zu groß war, kann ich nicht feststellen. Für Witten als Mittelzentrum zwischen Dortmund und Bochum oder meinetwegen auch Essen war und ist die Lage äußerst schwierig. Von daher kann man nur dann die Leute binden, wenn man versucht, auch etwas Außergewöhnliches zu machen. Ich hatte nicht den Eindruck, dass es zu bombastisch war. Ich fand die Neugestaltung durchaus angemessen.

StadtZEIT Die vielen Leerstände besonders an der unteren Bahnhofstraße nur wenige Jahre später stören Sie nicht?

Lohmann Dass es in vielen Städten, besonders im Ruhrgebiet, Leerstände gibt, ist unbestritten. Manche haben auch gesagt, macht nicht die Stadtgalerie. Damit werden neue Leerstände herbeigeführt, weil Geschäfte da hingehen. Auf der anderen Seite braucht man neue Attraktivität. Das ist ein Problem. Das führt zu einer Fluktuation. Wenn man einen Diamanten mit großem Zulauf an einer Stelle hat, sacken andere Bereiche weg. Früher hatten wir noch das Monopol da unten. Wir haben uns viele Gedanken gemacht, wie wir die Attraktivität in dem Bereich erhalten oder steigern können, aber man braucht dafür auch die entsprechenden Investoren. Ich denke, man kann gewisse Entwicklungen nicht vermeiden. In Herne und Wanne-Eickel sind ganze Zentren weggesackt.

StadtZEIT Kurzer Kommentar zur aktuellen Situation auf dem Kornmarkt?

Lohmann Ich denke, die Situation mit dem Kornmarkt ist auch schwierig. Ich kann mich damit anfreunden, dass man sich bestimmte Optionen vorbehält. Eine 'grüne Lunge' in der Innenstadt ist natürlich immer richtig. Aber wir haben einige davon in unserer Stadt. Mit dem Lutherpark, mit dem Stadtpark ...

StadtZEIT Bevor wir hier weiterfahren, ergänzend noch ein anderes Stichwort zum Rathaus selbst und zum Rathausplatz. Sie wollten einen Anbau parallel zur Hauptstraße. Es gab eine Bürgerbefragung ...

Lohmann ... ein Bürgerbegehren ...

StadtZEIT ... ein Bürgerbegehren. Ihr Plan wurde abgelehnt. Sie haben daraufhin die Bürgermeisterwahl 1999 nur knapp in der Stichwahl mit etwa 1 500 Stimmen Vorsprung gewonnen. Hat Sie das überrascht oder geärgert?

Lohmann Wir haben in Bezug auf einen nicht vorhandenen Bebauungsplan einen Fehler gemacht. Wenn wir einen Bebauungsplan für den Rathausplatz gemacht hätten ... Der Punkt ist, wir waren uns eigentlich einig, dass der Rathausplatz an Beliebtheit gewinnt, wenn er baulich eingefasst ist. In Italien haben alle Plätze eine Ringbebauung. Deshalb war unser Gedanke, wir bauen den Rathausplatz so, wie er vor dem Krieg einmal ausgesehen hat. Da war das alte Rathaus unten. Es gab eine Ringbebauung. Und daran wollten wir uns halten. Das Interessante war, der Gewinner dieses Wettbewerbs war Axel Schultes, der Architekt, der auch das Kanzleramt gebaut hat. Hier bei uns wurde er nicht akzeptiert. Man hätte den Platz umbauen können. Für die Bevölkerung wäre das toll gewesen.

StadtZEIT Sie bedauern nach wie vor, dass Ihr Plan nicht realisiert wurde?

Lohmann Natürlich. Ich bedauere, dass der Plan nicht realisiert wurde. Und wie damals teilweise argumentiert wurde, ist ja bekannt. Was Hasenkamp (Michael Hasenkamp, 1996 - 1999 Vorsitzender der CDU Witten, 1999 - 2009 Ratsmitglied, Anm. d. Red.) damals behauptete, ich wollte mir ein neues Büro schaffen, ist ja völliger Quatsch. Wie heute mit den fake news, jeder kann irgendwas behaupten.

StadtZEIT Hat Sie das gekränkt?

Lohmann Nein, das steckt man weg. Es war wirklich traurig. Mit dem Mann konnte man aber nicht wirklich reden und schon gar nicht diskutieren.

StadtZEIT Allgemein zu Ihrem Politikstil: Kritiker haben Sie einmal als „alten Keiler“ bezeichnet ...

Lohmann (lacht)

StadtZEIT … und die Zeitung „Die Zeit“ schrieb sinngemäß, Sie machten eine Politik nach Gutsherrenart.

Lohmann Gutsherrenpolitik lag mir völlig fern.

StadtZEIT Der CDU-Vorsitzende in NRW und spätere Ministerpräsident in Sachsen, Kurt Biedenkopf, hat einmal vom „roten Filz an der Ruhr“ gesprochen.

Lohmann Ja sicher (lacht). Es war hier wie in anderen Ruhrgebietsstädten auch so, dass die Sozialdemokraten die absolute Mehrheit hatten. Immer so zwischen 50 und 60 Prozent. In der Spitze hatten wir 64,5 Prozent bei einer Landtagswahl. Dies führte natürlich dazu, dass die eigentlichen Entscheidungen im Endeffekt in der Fraktion vorbereitet wurden. Was wir in der Fraktion beschlossen haben, wurde dann auch umgesetzt. Ich will nicht sagen, dass wir die anderen nicht haben zu Wort kommen lassen. Aber entscheiden konnten letztendlich wir. Ich bin immer Gewerkschafter und Kumpel gewesen. Von daher, alles andere als Politik nach Gutsherrenart. (lacht wieder)

StadtZEIT Stimmt, Sie waren in 58 Vereinen Mitglied, hat mal jemand zusammengerechnet. Unter anderen auch in zwei Gesangsvereinen, obwohl Sie von sich selbst sagen, Sie könnten gar nicht singen.

Lohmann Außer „Glück auf, der Steiger kommt“. Das kann ich gut. Ich war aber sogar in vier Gesangsvereinen. (lacht) Die haben sich leider aufgelöst. Erst haben sie sich zusammengeschlossen, dann haben sie sich aufgelöst. Westfalia Annen gehörte dazu, dann war ich im Allgemeinen Deutschen Sängerbund, das war im Gesangsbereich ein Teil der Arbeiter-Turn- und Sportbewegung. Außerdem war ich im MGV „Grüne Eiche“ Ardey und jetzt bin ich, weil die mich mal angesprochen haben, noch Mitglied im MGV "Deutsche Eiche" Hammertal. (lacht wieder)

StadtZEIT Herr Lohmann, nächstes Stichwort Städtepartnerschaften, Mallnitz. Erzählt wird die Geschichte, Sie hätten den Partnerschaftsvertrag mit Mallnitz auf einem Bierdeckel verfasst und unterzeichnet.

Lohmann (lacht) Ja, ohne Auftrag des Rates und der Fraktion. Die Sache war folgende: Es war eine Veranstaltung des Alpenvereins, Sektion Witten, an einem Freitag in Hagen, eine Art Werbeveranstaltung. Die Österreicher waren eingeladen und kamen mit Musik- und Trachtengruppen und so weiter. Am Samstag kamen alle zu uns in den Saalbau nach Witten, und der Bürgermeister aus Mallnitz, Hermann Pucher, der leider inzwischen verstorben ist, sprach mich an. Wir saßen zusammen, Klaus Lohmann, Hermann Pucher, SPD, SPÖ. Ich sagte: „Herzlich willkommen, wir freuen uns, dass Ihr hier seid. Wie sieht es denn bei Euch mit Städtepartnerschaften aus?“. Er fragte: „Wer soll mit einer so kleinen Gemeinde wie Mallnitz eine Städtepartnerschaft machen? Spital, Klagenfurt oder Villach, die machen so was. Aber wir doch nicht.“ Ich habe gefragt: „Wieso nicht?“ Er: „Wer sollte das denn machen?“ Ich: „Ja wir!“ Dann haben wir das gemacht. Wir sind dann aufgestanden, ich habe einen Bierdeckel hochgehalten und den Abschluss eines Partnerschaftsvertrags öffentlich verkündet und alle haben gejubelt. Auch die Fraktion und der Rat haben später zugestimmt und gesagt, das ist eine gute Sache. Sie haben aber auch gesagt: „Klaus, nimm zur Kenntnis, das hast Du einmal gemacht, ohne uns zu fragen, das machst Du nicht noch einmal.“ (lacht wieder) Entstanden ist daraus später der Förderverein „Wittener Hütten“ in Mallnitz mit heute vier Hütten und 33 Schlafplätzen. Mallnitz ist meine zweite Heimat. Ich fühle mich dort richtig wohl. Andere aber auch. Weil wir uns keine Handwerker leisten können, machen wir das meiste selber. Wenn wir da runter fahren, wird richtig malocht.

StadtZEIT Eine andere Städtepartnerschaft lag Ihnen aber mindestens genau so am Herzen.

Lohmann Die Partnerschaft mit Lew Hasharon in Israel basierte auf den besonderen Verpflichtungen den jüdischen Menschen gegenüber. Wir hatten in Witten eine besondere Situation. Eine Gruppe aus jüngeren Wittenern, Bochumern und Dortmundern war zu Besuch in Israel gewesen und hatte dort einen Guide kennengelernt, David Faran Frankfurter, der eigentlich mit Deutschen nichts mehr zu tun haben wollte. Er hatte elf Familienangehörige in den KZs verloren. Aber nachdem er diese jungen Deutschen kennengelernt hatte, Karl Heinz Dressel vom Jugendamt und Freundeskreis der Israelfahrer war damals auch dabei, änderte David Faran Frankfurter seine Absicht und wollte wieder mit Deutschen Kontakt haben. Er wurde dann der Vater unserer Partnerschaft. Was mir noch wichtig ist: Wir haben intensiv an einer Aufarbeitung der Geschichte der Wittener Juden und der Zerstörung der Synagoge gearbeitet. Dr. Martina Kliner-Fruck vom Stadtarchiv hat damals auch ihre Promotion über jüdische Frauen geschrieben. Was bei mir noch eine Rolle gespielt hat, bei den Nazis gab es ein sogenanntes Pflichtjahr für junge Frauen in deutschen Haushalten. Dieses Pflichtjahr machte bei uns zu Hause eine Agathe Bühren. Sie gehörte zu einer jüdischen Familie in unserer Stadt. Wahrscheinlich wurde die Familie deswegen nicht inhaftiert oder in ein Lager gebracht, weil der Vater, Wilhelm Bühren, auf der Zeche Bruchstraße als Elektriker unter Tage gearbeitet hat. Solche Leute wurden gebraucht. So wurde ich schon als kleiner Junge zusammen mit einem jüdischen Mädchen erzogen. Von daher wohnte mir eine Verbindung zu Israel damals schon inne. Die Partnerschaften haben mir immer am Herzen gelegen. Jetzt haben wir acht Partnerschaften. Ich bin Präsident des Partnerschaftsvereins, Vize-Präsident von Barking-Dagenham (Verein, der die Städtepartnerschaft mit den englischen Gemeinden Barking und Dagenham pflegt, Anm. d. Red.), bin Vorsitzender des Vereins "Wittener Hütten" in Mallnitz. Mit dem ganzen Partnerschaftsbereich bin ich immer Johannes Rau (SPD, von 1978 - 1998 NRW-Ministerpräsident, später Bundespräsident, Anm. d. Red.) gefolgt. Der hat gesagt, die Städtepartnerschaften sind die lokale Außenpolitik, mit der Menschen versuchen, ihren Frieden und ihre Freiheit mit anderen zu teilen.

StadtZEIT Anderes Stichwort: die SPD in Witten. Früher rund 4 200 Genossen, heute noch 2 000? Macht Sie das traurig?

Lohmann Das macht einen traurig, wobei das kein spezielles Wittener Phänomen ist. Alle Parteien verzeichnen Rückgänge bei ihren Mitgliedern. Die Leute sind nicht mehr bereit, sich intensiv zu engagieren. Das hat die SPD in Witten genau so getroffen. Ich kann das sehr gut einschätzen. Einer meiner vier Berufe war Parteigeschäftsführer, erst in Witten, dann eine Zeit lang auch in Bochum und später auch im Ennepe-Ruhr-Kreis. Der Rückgang, den Sie beschrieben haben, ist nicht zu übersehen. Der trifft aber auch andere Gruppen oder Verbände. Die Bereitschaft, sich in dieser Form zu organisieren, ist offenbar nicht mehr vorhanden. Das hängt auch mit den Vorbildern zusammen. Die kommen heute leider mehr aus dem Internet. Anders als früher, als Willy Brandt kandidierte. "Willy wählen", damit hatten wir einen Zustrom, der war einmalig.

StadtZEIT Sie waren nicht nur in vielen Vereinen, Sie haben auch mehrere Ämter gleichzeitig ausgeübt, wie man so sagt. Wäre so etwas heute überhaupt noch machbar?

Lohmann Während meiner Zeit im Bundestag von 1983 bis 1998 war das möglich, weil das Bürgermeisteramt keine hauptamtliche Tätigkeit war. Das war ein reines Ehrenamt. Heute ist das anders. Ein hauptamtlicher Bürgermeister kann gleichzeitig weder im Landtag noch im Bundestag sein, was ich auch für richtig halte.

StadtZEIT Bei der letzten Bürgermeisterwahl 2015 haben Sie sich klar für die Kandidatur der amtierenden Bürgermeisterin Sonja Leidemann, SPD-Mitglied wie Sie, gegen den offiziellen SPD-Kandidaten Frank Schweppe ausgesprochen. Haben Sie damit die SPD in Witten gespalten, wie manche behaupten?

Lohmann Dass wir in einer schwierigen Situation waren, ist klar. Was mich damals so traurig gemacht hat, war, dass Frank Schweppe, den ich immer sehr geachtet hatte, noch zwei Wochen, bevor er gegen die Bürgermeisterin angetreten war, versichert hatte, dass er nie gegen sie antreten werde. Das hat mich aufgerüttelt und traurig gemacht. Auch dass man dann noch mit der CDU zusammen gegen die Bürgermeisterin angetreten ist. Was ist das für eine Geschichte? Es hat Verletzungen gegeben. Im Moment sind wir dabei, die Wunden, die entstanden sind, wieder zu heilen. Es war eine schwierige Situation, ganz klar.

StadtZEIT Die zu bereinigen ist?

Lohmann Ja. Einige sind ausgetreten.

StadtZEIT Herr Lohmann, erlauben Sie mir, Sie abschließend mit zwei Zitaten zu konfrontieren. Das eine: Sie haben über sich selbst gesagt, Sie gehören zu denen, „die Dinge gerne zur Chefsache machen“, und als Mitglied einer 25-köpfigen Gruppe aus NRW im Bundestag haben Sie einmal von einer „Kohle-und-Stahl-Mafia“ gesprochen.

Lohmann Als Bürgermeister habe ich manchmal „Chefsache“ gesagt, wenn Dinge nicht liefen. „Chefsache“ hieß dann aber, ich möchte mindestens einmal in der Woche wissen, wie läuft die Sache, wie wird sie angegangen. Ich bin schon der Meinung, jetzt nicht undemokratisch, dass manchmal Druck ausgeübt werden muss, damit etwas läuft. Es gibt viele Beispiele dafür, dass so etwas gewirkt hat und dass die Dinge dann vorankamen. Bei dem Begriff „Kohle-und-Stahl-Mafia“ ging es um den Kampf um die Kohle im Revier, wobei Mafia sicherlich der falsche Begriff war. Mafia bedeutet ja, dass man mit unzulässigen Methoden arbeitet. Bei uns war der Begriff aber liebevoll gemeint, dass wir zusammenhalten und uns gemeinsam für Kohle und Stahl einsetzen.

StadtZEIT Herr Lohmann, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.

Interview und Fotos (16): Walter Budziak, 2.2.2017


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