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AUS DEM RATHAUS
Wenig politischer Rückenwind auf Radweg nach Bommern
Befahrbarkeit noch einmal verschlechtert

Text und Fotos (3): Walter Budziak, 10.4.2017

Eine Unfallkommission, die Bezirksregierung, andere vorgesetzte Dienstbehörden und ein Verkehrsingenieur haben sich schon mit dem Radweg nach Bommern am Mühlengraben und über den Ruhrdeich beschäftigt. Das Radfahren dort ist gefährlich. Den meisten Gewählten geht das offenbar am Ratssitz vorbei. Dabei ließe sich die Befahrbarkeit mit vergleichsweise geringem Aufwand verbessern. Statt dessen wurde sie mit einem dritten Schild noch einmal verschlechtert.

"Natürlich" könne man sich "etwas Schöneres vorstellen", beantwortet das Presseamt eine Anfrage an die Bürgermeisterin nach den rechtlichen Bedenken hinsichtlich einer vorgeschriebenen Doppelnutzung als "gemeinsame Geh- und Radverkehrsanlage" (Zeichen 240/241 STVO) und nach der Vereinbarkeit mit dem Anspruch, Witten als aufstrebende Universitätsstadt auszuloben. Gleichwohl Richtlinien innerorts eine Mindestbreite von 2,50 Meter bei einer Doppelnutzung vorschreiben, die am Mühlengraben nicht annähernd gegeben ist, verweist Pressesprecher Helmut Sonder auf einen "Ermessensspielraum". "Richtlinienkonform" könne auch das Schild „Radfahrer bitte absteigen“ aufgestellt werden, schreibt Sonder. Die Richtlinien seien jedoch "nicht gesetzlich bindend". Auch mit dem Image einer modernen Universitätsstadt sei ein solcher Radweg "sehr gut (...) vereinbar".

Wohn- und Lebenswert eines intakten Radwegenetzes

Verkehrssicherheit bedeutet Lebenssicherheit und Lebensqualität, zentrale Belange eines jeden Bürgers. Das Fahrrad nutzen gerade in einer Universitätsstadt viele Studenten, die von auswärts kommen und eines Tages vielleicht wählen können, ob sie bleiben oder wieder gehen. Dank elektrischer Trethilfen entdecken auch immer mehr Ältere den Wohn- und Lebenswert eines intakten Radwegenetzes.

In acht Fraktionen mit städtischer Email-Adresse verwalten gewählte Volksvertreter politisch die Bürgerbelange. Zwei Fraktionen haben den Eingang der Anfrage des Autors bestätigt und eine Stellungnahme angekündigt. Fünf Fraktionen war selbst das zu viel, darunter auch die der mitregierenden CDU. Eingegangen sind auch die beiden angekündigten Stellungnahmen nicht.

"Finanznot nicht weniger schwer zu beheben"

Es sei "überhaupt keine Frage, dass für das Image einer modernen Universitätsstadt im Ruhrgebiet ein ganz anderer Ausbaustandard der Radwege im Bereich Bommern wünschenswert wäre" signalisiert der stellvertetende Vorsitzende und Verkehrsexperte der SPD-Fraktion, Martin Kuhn, als einziger Anteilnahme an den Schwierigkeiten, gegen die erkennbar die meisten Radfahrer auf dem Radweg über den Mühlengraben anstrampeln. Allerdings setzten nicht nur Felswände (Herbeder Straße) oder schmale Brücken der Stadt Grenzen. Die Finanznot sei nicht weniger schwer zu beheben. "Da bleibt der Politik leider nur wenig Handlungsspielraum", schränkt er ein.

Nur 1,4 Mio. Euro für Erhalt eines "jetzt schon beklagenswerten Zustands"

Vergleichend verweist Kuhn auf marode Straßen, die Autofahrer täglich beklagten, und verdeutlicht die Lücke zwischen Notwendigkeit und Wirklichkeit anhand von Zahlen. So erforderte allein der Erhalt des jetzt schon beklagenswerten Zustands der Wittener Straßen jährliche Investitionen von vier Mio. Euro, zur Verfügung stünden 1,4 Mio. Euro.

Was der Vergleich mit den maroden Straßen nicht berücksichtigt: Dem Autofahrer wird vielleicht eine Felge zerkratzt oder ein Kotflügel verbeult, dem Radfahrer bricht ein Sturz das Genick. Oder nur ein Handgelenk, wenn er Glück hat.

Stahlkonstruktion mit Holzplanken könnte helfen

Nicht eingehen will Kuhn auf den Vorschlag, angesichts der zu erwartenden Zunahme des Radverkehrsaufkommens gewissermaßen in des Wortes doppelter Bedeutung übergangsweise für Fußgänger außerhalb der Steinbrücke eine vielleicht ein Meter breite Stahlkonstruktion mit Holzplanken ähnlich der Nachtigallbrücke aufzustellen und den Radfahrern den jetzigen gemeinsamen Geh- und Fahrweg allein zu überlassen. Eine solche Maßnahme müsse mit dem Kreuzungsumbau ja wieder rückgängig gemacht werden.

Auch Radweg am Ruhrdeichkreisel "eine einzige Katastrophe"

Anderswo fährt es sich auch scheiße, ließe sich ein abgewandelter Ruhrpottspruch auf Radwege von der Innenstadt nach Bommern übertragen. Als "eine einzige Katastrophe" beschreibt der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club Ennepe Ruhr (ADFC-EN) die Verhältnisse für Radfahrer an der Herbeder Straße und am Ruhrdeichkreisel, der einzigen alltagstauglichen Ausweichstrecke. Ein geplanter Umbau zwischen Bahnunterführung und Kreisverkehr Sprockhöveler Straße, der auch den Radverkehr besser berücksichtigt hätte, habe verschoben werden müssen, bedauert die Vorsitzende Susanne Rühl. Immerhin bestünde aber noch Hoffnung auf Verbesserungen in der Zukunft. Die Radwegeführung am Ruhrdeichkreisel dagegen sei "ärgerlich und unpraktisch und wäre aus Sicht des ADFC-EN auch vermeidbar gewesen".

Mit erheblich höheren Kosten, stimmt Andreas Müller, der zuständige Verkehrsplaner beim städtischen Planungsamt, freimütig zu, verweist aber gleichzeitig auf weitere Hindernisse. Nicht in der Brandung, im Weg steht der Steilfelsen, der an der Ausfahrt Richtung Herbede bis fast an die Fahrbahn reicht. Ein umlaufender Radweg wäre "mit ziemlichem Aufwand und ziemlichen Risiken" verbunden gewesen. Zudem liege der Ruhrdeichkreisel außerhalb des Stadtgebiets. Die Stadt sei zwar an Planungen beteiligt, das Sagen habe aber letztendlich der Landesbetrieb [?]Anm. d. Red.Landesbetrieb Straßenbau Nordrhein-Westfalen (Straßen.NRW)
plant, baut und betreibt alle nordrhein-westfälischen Autobahnen, Bundes- und Landesstraßen.
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Unfallgefahren kein Thema

Langfristig könnte aber auch in dem Bereich ein Umbau in Frage kommen, meint der Verkehrsplaner. Die Kanalisation an der Herbeder Straße entlang der Ruhr entspreche nicht mehr den Vorschriften für Wasserschutzgebiete. Bei Unfällen mit Tanklastern beispielsweise könnte auslaufendes Benzin in das Grundwasser oder in die Ruhr gelangen. Somit stehe der Landesbetrieb vor der Aufgabe, eine separate Entwässerung anzulegen. Dabei wäre auch eine Neugestaltung des Kreisverkehrs mit besserer Radwegführung denkbar.

Unfallgefahren sind an dieser Stelle zur Zeit auch kein Thema. Von Unfällen im Radverkehr wisse er nichts. "Wenn es tatsächlich ein Unfallschwerpunkt würde, bei einer bestimmten Anzahl gleichartiger schwerer Unfälle also, weiß ich nicht, zu welchem Ergebnis man dann kommt", sagt Müller. Aber der Kreisverkehr bestehe seit zehn Jahren. Es sei zwar "nicht so toll, da langzufahren", aber die Radfahrer hätten sich daran gewöhnt und kämen damit zurecht, meint der 64-Jährige, selbst begeisterter Radfahrer, der in seinen Urlauben antike Römerstraßen auf dem Balkan abfährt und keinen Führerschein besitzt.

Gefährdungsmaß gleichsam willentlich auf die Spitze treiben

Den Vorschlag, die Passage quer zur Fahrbahn wenigstens farblich und mit Markierungen deutlich als Radweg zu kennzeichnen, lehnt Müller ab. Außerhalb geschlossener Ortschaften nicht erlaubt. Eine Grundregel: "Außerorts geht man davon aus, der Autoverkehr hat Vorfahrt, der Radverkehr muss aufpassen." Wenn dann ein roter Streifen aufgetragen würde, hätte der auch Vorfahrt. Das führe zu Missverständnissen. Und die seien noch schlimmer.

Viel schlimmer wurde die Verkehrssituation für Fußgänger und Radfahrer in den vergangenen Wochen an der Haltestelle Wetterstraße. Als wollten die zuständigen Behörden das Gefährdungsmaß gleichsam willentlich auf die Spitze treiben, stellten sie ein drittes Hinweisschild rückseitig auf den vorgeschriebenen gemeinsamen Geh- und Radweg. Diesmal allerdings nicht an den in Fahrtrichtung rechten Rand. In etwa 1,5 Meter Abstand zum nächsten Schild mit entsprechend ausladendem Standfuß am linken Rand wird auf dem gut ein Meter breiten Weg eine Slalomstrecke aufgebaut. Die bei Dunkelheit oder Nässe einen Unfall geradezu erzwingt.


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